Drecksspiel: Thriller (German Edition)
den Landwehrkanal. Niemand folgte ihnen.
*
Toni verpasste der Haustür einen zornigen Tritt. Das Krachen ging im Rauschen des Regens unter.
Natürlich hätte er gerade eben nicht ausrasten dürfen. Aber ihm lief die Zeit davon und dieser affektierte Schnösel hatte ihm nichts als Lügengeschichten aufgetischt.
Toni hätte seinen Arsch darauf verwettet, dass Philip Nedel sich keineswegs im Urlaub befand. Aber wo steckte er dann?
Und noch etwas hatte Kuhn nicht verbergen können: Angst. Angst wovor?
Toni steckte sich eine Marlboro an und sog den Rauch tief in seine Lunge.
Autos rollten im Schritttempo an ihm vorbei. Die Rosenthaler Straße versank unter Pfützen, weil die maroden Berliner Kanäle dem sintflutartigen Niederschlag mal wieder nicht Herr wurden. Passanten waren nur vereinzelt unterwegs. Die Stühle und Tische vor den Cafés am Hackeschen Markt standen verlassen und …
Verfickte Scheiße!
Toni rief sich die strahlend weißen Büroräume der Pixelschubser in Erinnerung, den freudlosen Minimalismus, mit dem sie eingerichtet worden waren. Ein Minimalismus, der seit Jahren auch in den Berliner Kneipen und Bars grassierte, in denen sich die sogenannten Hipster herumtrieben, diese Sozusagen-Geschäftsführer, die Retail Area Manager, die Pixelschubser oder wie auch immer sie sich schimpften. Schnösel wie dieser Kuhn. Doch darum ging es nicht.
Entscheidend waren die Schreibtische in dem vorderen Büro. Nichts hatte dort auf Arbeit hingewiesen. Oder auf Mitarbeiter, die in nächster Zeit ihre Tätigkeiten wieder aufnehmen würden.
Wie war es wirtschaftlich um die Agentur bestellt?
Toni warf die Kippe in eine Pfütze und trabte los. Nach wenigen Metern war er wieder durchnässt. Aber das war ihm egal.
Mit neu erwachter Euphorie überwand er einen Schutthaufen zu der Baustellenbrache, auf der er den Polo abgestellt hatte. Der Regen hatte den ausgedörrten Boden aufgeweicht. Tonis Schuhe versanken im Schlamm. Er zückte den Autoschlüssel.
»Hey!«, rief jemand.
Toni drehte sich um.
Mincks stapfte auf ihn zu. Während der Schwachkopf an einer seiner verlausten Strähnen drehte, grinste er blöde vor sich hin. Wasser strömte über sein bleiches, schorfiges Gesicht.
»Verpiss dich«, brummte Toni, »ich hab jetzt …« Seine Stimme erstarb, als hinter dem Junkie ein paar Gestalten erschienen, eine Handvoll übler Typen. Hässlich wie die Nacht mit aufgepumpten Bizeps und schiefen Boxernasen – vor allem aber brandgefährlich.
»Das ist er!« Mit zittrigem Finger zeigte Mix auf Toni. »Der Bulle, von dem ich euch erzählt habe, der mir den Stoff geklaut hat.«
Toni spurtete los. Seine Schuhsohlen fanden keinen Halt im Schlamm. Er rutschte aus. Eine Faust traf ihn mitten ins Gesicht.
*
»Woran denkst du?«, brach Caro das Schweigen.
David überlegte kurz. »An nichts Bestimmtes, ich bin nur etwas müde.«
Er war erleichtert, als Caro sich mit seiner Antwort zufriedengab. Sie kramte in ihrer Handtasche nach einer Schachtel Gauloises. »Ist das okay?«
»Mhm.«
Sie ließ das Seitenfenster einige Zentimeter hinunter. Ihr halblanges Haar flatterte im Fahrtwind, der ins Wageninnere brauste.
»Seit wann rauchst du wieder?«, fragte David.
»Schon eine ganze Weile.«
»Mhm.«
»Irgendein Laster muss man ja haben.« Sie inhalierte den Rauch und blies ihn durch den Fensterspalt nach draußen. »Und wenn wir schon bei den Lastern sind … Weißt du, was Jan mich heute Mittag gefragt hat?«
»Was denn?«
»Ob ich ihm Schokolade mitbringe.«
»Ehrlich?«
»Ach komm, spiel nicht den Unschuldsengel.« Sie nahm einen Zug von der Gauloise. »Außerdem hat er gesagt – ich zitiere –, Papa hat es erlaubt. «
»Ich?«
»Ja, ich glaube, er meinte dich.«
»Wie kommt er darauf?«
»Er sagte, du hättest mit dem Arzt gesprochen.«
»Ganz schön raffiniert, unser Kleiner.«
»Hey, er ist ein Großer.«
David konnte nicht anders, er lächelte. Im Lichtschein eines Restaurants sah er Caro ebenfalls lächeln.
Sie sank im Sitz zurück, rauchte ihre Zigarette und wirkte jetzt entspannt. Fast so wie früher, wenn sie nach einem Konzert oder einem Restaurantbesuch gemeinsam zurückgefahren waren, bei Gewitter, durch strömenden Regen, voller Vorfreude auf zu Hause.
Fast hätte er die Hand nach ihr ausgestreckt.
I’m lost again, it’s happening ,klang Jessie Ware im Radio. Think I’m ready to lose it all.
Er hielt vor einer Fußgängerampel auf der Skalitzer Straße. Hinter ihnen bremste ein
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