Drei Eichen (German Edition)
limettengrüne Vespa freigelegt, auf deren Frontseite man den Zusatz »Primavera« lesen konnte. Das an sich edle Teil entpuppte sich als ziemlich verrostet, das Blech war von der feuchten Umgebung sogar schon weggefressen worden.
»Dann wollen wir das gute Stück mal herausheben«, knurrte Haderlein verbissen und winkte den kleinen Bagger herbei, den sie für alle Fälle herbestellt hatten. Um die Schaufel der Baumaschine wurde eine Kette gelegt und mit den Resten des verrosteten Rollers verbunden, dann hob sich die Schaufel des Baggers und mit ihr die Primavera aus dem modrigen Loch. Der Bagger schwenkte noch einmal herum, dann legte er seine Fracht am Rand des Aushubes ab. Eine schöne alte, aber verrostete Vespa »Primavera«, in gutem Zustand für Sammler ein echter Leckerbissen.
Haderlein betrachtete das verdreckte Gefährt. Irgendetwas regte sich in ihm, allerdings war es noch tief in seiner Erinnerung verborgen. Er wusste nicht, warum, aber die Vespa löste etwas in ihm aus. Er konnte nicht einmal sagen, ob das Gefühl etwas mit seiner Polizeiarbeit oder mit seinem außerberuflichen Leben zu tun hatte, doch irgendwie rief der Roller etwas in seiner Vergangenheit wach. Sicherheitshalber schaute er nach, ob sich am Heck der Vespa vielleicht noch ein Nummernschild befand, aber das war natürlich entfernt worden. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Haderlein war noch gedanklich mit dem Roller beschäftigt, als er Ruckdeschls erstauntes Schnaufen vernahm. Er wandte sich um. Der Leiter der Spusi deutete in das nun etwas tiefer gewordene Loch. Am Grund der Grube konnte man die verwesten Umrisse einer menschlichen Gestalt erkennen. Zwar wurde das Skelett noch teilweise von Erde bedeckt, aber dass hier ein Mensch seine vorläufig letzte Ruhestätte gefunden hatte, war zweifellos. Haderlein erkannte anhand der Beckenknochen, dass sie hier auf eine tote Frau gestoßen waren. Schweigend starrten sie die kärglichen Überreste an.
Als Erstes löste sich Haderlein aus der Schockstarre. Er beugte sich zu Riemenschneider hinunter und kraulte seinen Liebling entschuldigend hinter den Ohren. »Gut gemacht, Riemenschneider, sehr gut gemacht. Ich werde nie mehr an dir zweifeln, du Heldin, versprochen«, flüsterte er. Dann richtete er sich wieder auf und wollte dem Fahrer des inzwischen von seiner Kette befreiten Baggers ein Zeichen geben, damit er das Loch zur besseren Untersuchung verbreiterte, als plötzlich von »Grabung eins« ein weiterer Ruf ertönte.
»Wir haben auch was!«, schallte es durch den nächtlichen Wald der südlichsten Erhebung der Eierberge.
»Was ist das?«, fragte Huppendorfer Rudi Seuß, als dieser ihm die Reste eines gelben Regenmantels zeigte, die vor ihnen auf dem Boden lagen. Daneben sortierte ein anderer Spurensicherer gerade menschliche Knochen.
»Schauen Sie doch mal genauer hin, Herr Huppendorfer. Diese Löcher hier überall, die sind nicht von irgendwelchen Baumaschinen. Da war etwas anderes am Werk, davon bin ich felsenfest überzeugt«, sagte der Spurensicherer. Er drückte Lagerfeld das größte Stück des Regenjackenrestes in die Hand und wandte sich dann wieder seinem Kollegen zu, um diesem beim Sortieren zu helfen.
Der junge Kommissar besah sich das Plastik der Jacke genauer. Es war ein Stück vom Rückenteil, sogar die Kapuze hing noch dran. Der untere Teil war von der Hüfte bis ungefähr zur Armbeuge abgerissen, dort franste der Stoff aus. Auf Höhe beider Schultern sowie in der Mitte des übrig gebliebenen Stücks konnte jetzt auch Huppendorfer kleine Löcher erkennen. Alle hatten sie die gleiche Form, so als hätte jemand von einem imaginären Zentrum aus mit einer Rasierklinge drei circa zwei Zentimeter lange Schnitte symmetrisch nach außen ausgeführt. Die Schnitte waren sternförmig und ausgesprochen sauber. Die Klinge, die sie verursacht hatte, musste extrem scharf gewesen sein. Allein auf diesem Mantelrest zählte Huppendorfer fünf dieser Löcher.
»Wir wären dann so weit«, riss ihn die Stimme des Spurensicherers aus seinen Gedanken, und er drehte sich zu dessen Knochensortiment um. Vor ihm lagen die Reste eines menschlichen Körpers, dem allerdings die unteren Extremitäten, die komplette Hüfte und etliche Rippen auf der linken Seite vollständig oder teilweise fehlten.
»Wo ist der Rest?«, fragte Huppendorfer erstaunt. »Dem Mann fehlt doch das Wichtigste.«
»Da haben Sie natürlich recht«, stimmte ihm Rudi Seuß zu. »Ich nehme an, dass der Bagger nur einen Teil
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