Drei Eichen (German Edition)
von wie vielen Leichen wir hier reden?« Doch Marina Hoffmann konnte ihm keine befriedigende Auskunft geben, sie wusste es ja selbst nicht genau.
»Mehrere?«, ereiferte sich Ruckdeschl immer noch. »Was meint Franz denn mit mehreren? Der Herr Kriminalkommissar Haderlein möchte also, dass ich in voller Kompaniestärke anrücke, und gibt nicht einmal bekannt, auf was wir uns einstellen sollen? Na, der kann was erleben!« Frustriert reichte Ruckdeschl das ausgeschaltete Handy seinem Beifahrer. Der war eines der vier Mitglieder seiner Männerrunde, die sich bereits seelisch und körperlich auf die Erlanger Bergkerwa vorbereitet hatten. Während Ruckdeschl mit Honeypenny telefoniert hatte, war es auf dem Rücksitz schon lustig zugegangen.
Als er seinen spontanen Dienstantritt verkündete und dass er wieder umkehren müsse, löste die Nachricht wilde Proteste unter der männlichen Fahrgemeinschaft aus sowie gänzliches Unverständnis dem Gedanken gegenüber, jetzt wieder nach Hause zu fahren. Schlussendlich wurde der Leiter der Spusi Bamberg in seinem eigenen Auto zum Forchheimer Bahnhof gefahren, ihm wurde ein Zugticket für die Rückfahrt in die Dienststelle spendiert, und der Rest der fröhlichen Gesellschaft peilte ohne ihn die Parkplätze der Erlanger Bergkirchweih an. Heribert Ruckdeschl war, gelinde gesagt, not amused .
Es waren ausgesuchte bleiche Persönlichkeiten, die sich zu dieser Schafkopfrunde versammelt hatten. Ihre Außerordentlichkeit bestand in der Tatsache, dass bei Zigarettenrauch und Bier drei Skelette in einer Kneipe saßen, die Spielkarten misstrauisch verdeckt, nahe an die Rippenknochen haltend, um auch ja niemanden in die Blätter schauen zu lassen. An sich ein ziemlich albernes Ansinnen, da jeder, der sich hinter den Skeletten befand, problemlos durch ihre Knochen hindurch die Karten hätte ausspionieren können. Zum Glück war nur ein Lebendiger bei ihnen im Raum: Leonhard Sachse. Der Leichenbestatter saß ihnen quicklebendig, quasi in Fleisch und Würden, gegenüber und qualmte eine fette Zigarre. Auf dem Kopf trug er einen großen Cowboyhut, vor sich auf dem Tisch hatte er einen Berg Euroscheine gehortet. Bei seinen knochigen Mitspielern sah die Bilanz dagegen eher dürftig aus. Zwei Skelette waren bereits völlig blank, nur sein direktes Gegenüber hielt noch mit etwa zwanzig Euro dagegen.
Leonhard Sachse schob seinen Stetson noch tiefer ins Gesicht und studierte seine Karten. Er hatte die ganze Zeit schon ein ziemliches Schwein beim Spielen gehabt, aber dieses Blatt war der absolute Oberhammer. Ein glattes Solo Tu mit Schuss und zurück. Jetzt würde er endgültig abräumen und auch den letzten dieser Knochensnobs vernichten. Und er würde seinen Sieg auskosten. Diese verdammten Abgelebten stahlen ihm seine Zeit und vor allem seinen Schlaf, sooft sie nur konnten. Da war es nur recht und billig, wenn er sie mal so richtig blamierte. Was musste sein Privatleben nicht immer darunter leiden, dass er sie zu den unmöglichsten Zeiten von den unmöglichsten Orten abholen musste. Er besaß kein geregeltes Sozialleben mehr, seine Familie sah ihn nur noch sporadisch, und sein Defizit in Sachen Schlaf überschritt inzwischen das des griechischen Staatshaushaltes. Da waren ein bisschen Rache und Genugtuung wirklich angebracht, vor allem, wenn es sich um so ignorante Selbstmörder handelte wie der Tote, der ihm am Tisch gegenübersaß. Sachses Meinung nach war es noch nicht einmal Selbstmord, sondern nur Blödheit gewesen. Der Idiot war an Sachses Hochzeitstag mit zwei Komma drei Promille und einem zwanzig Meter langen Bungeeseil von einem neunzehn Meter hohen Haus im Hallstadter Industriegebiet gesprungen. Super Idee. Wieder ein besonderer Tag in Sachses Leben im Arsch. Und nur wegen eines Deppen, der sich selbst aus dem menschlichen Genpool entfernen lassen wollte. Da hatte er sich diesen kleinen Platz an der Sonne beim Karteln doch wirklich verdient.
»Also, was ist jetzt, Sachse? Ich hab keine Lust mehr auf deine Show!«, rief das Gerippe mit der eingedrückten Schädeldecke und hieb mit den zur Faust geballten Knochen der rechten Hand auf den Tisch.
Die anderen beiden Mitspieler nickten zustimmend, sein Gegenüber mit den zwanzig Euro stand zu Sachses Erstaunen sogar auf, packte ihn mit der ausgestreckten Hand an der Schulter und rüttelte ihn wütend. »Was ist, du Penner, schläfst du etwa? Aufwachen, es geht weiter! Endlich habe ich ein gutes Blatt, jetzt krieg ich mein Geld zurück. Also,
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