Drei Engel für Armand
Gesicht, spielte mit ihrem Hemd und warf ihre Haare wie flatternde Bänder nach hinten.
»Schaut euch nur die Monde an!«, rief Danielle. Der Wind riss ihr die Worte aus dem Mund, doch der Aviar schien sie gehört zu haben, denn er legte sich nach links in die Kurve, um Danielle einen besseren Blick auf die Zwillingstrabanten zu ermöglichen. Die Monde standen sich gegenüber, zwei Sicheln aus Silber und Gold, deren Ränder sich beinah berührten.
Sie drehte sich um und suchte nach den dunklen Umrissen der Zwergentürme. Die Hecke verschwand in der Ferne. Sie hatte nie begriffen, wie riesig Elfstadt tatsächlich war. Sie schaute nach Osten, wo enorme Dächer durch die Wolken stießen.
»Riesen«, rief Schnee. Grinsend lenkte sie ihren Aviar näher an Schnee heran. »Die Eiben sind die Einzigen, die Bäume so groß wachsen lassen können, dass die Riesen sie für ihre Häuser benutzen können. Als Gegenleistung dafür fressen die Riesen die Eiben nicht.«
Talia und Socke flogen rechts an Danielle vorbei. »Komm schon!«, brüllte Talia. »Du kannst dich an Sehenswürdigkeiten noch sattsehen, wenn wir Armand gefunden haben!« Ihr Aviar zog mit wuchtigen Flügelschlägen nach vorn.
Danielle und Wind folgten ihnen. Danielle war plötzlich so ausgelassen, dass sie kichern musste, sie waren so hoch und schnell und frei! Sie ging mit ihrem Oberkörper tiefer herunter und atmete den moschusartigen, nussigen Geruch des Aviars ein. Sie hätte ewig so weiterreiten können!
Und dann begann Wind zu schwitzen. Danielle bemerkte es erst, als sie zu Schnee aufschlössen und sie ihr zuwinken wollte. Im selben Moment, als ihr Arm das Fell des Aviars verließ, kühlte der Wind ihren feuchten Ärmel und ließ sie frösteln.
Schon bald durchtränkte salziger Aviarenschweiß ihre Ärmel und die Vorderseite ihres Hemds und sie spürte, wie er auch vor ihrer Hose nicht Halt machte. Sie presste sich dichter an Wind, um warm zu werden. Das drahtige Fell war rutschig und feucht und die Mähne klebte ihr ständig im Gesicht, aber die Luft war zu kalt, um aufrecht zu reiten.
Das Land kroch unter ihnen vorbei, markiert durch die Lichtpunkte von Lagerfeuern und Laternen. Doch der Wind auf ihrer Haut verriet ihr, dass sie sich schneller als jedes Pferd bewegten.
Weiter vorn bewegte sich ein Wolkenfetzen gegen den Wind; glitzernd wie das Meer wallte er auf sie zu. Danielles Aviar stieß einen lang gezogenen, zitternden Schrei aus. Die anderen Aviare fielen darin ein.
»Wolkenläufer!«, schrie Talia. Sie riss an den Zügeln und lenkte Socke weg. »Eine Warnung an uns, dem Palast nicht zu nahe zu kommen!«
Danielle drehte den Kopf herum: Die schwarzen Türme des Palasts des Elfenkönigs waren im Dunkeln schwer zu erkennen; dahinter lag die silberne Brücke, und auf der anderen Seite konnte sie die Lichter des Palasts der Königin sehen. Ihr Aviar drehte selbstständig ab und flog Talia hinterher. Danielle sah das schnelle Aufflackern eines Blitzes bei dem Wolkenläufer, das die lange, geflügelte Gestalt von innen heraus erhellte, und dann verschwand er wieder in den Wolkenmassen über ihm.
»Lande auf der Seite der Königin!«, rief Talia ihr zu. »Falls deine Stiefschwestern zu Fuß unterwegs sind, haben wir sie bestimmt überholt. Dann brauchen wir nur noch auf sie zu warten und ihnen nach unten zu folgen.«
»Wie denn?« Unter ihnen erstreckte sich die Schlucht meilenweit in beide Richtungen. »Sie könnten überall sein! Wir können doch nicht die gesamte Breite Elfstadts überwachen!«
»Sagt wer?«, rief Schnee und grinste wie ein kleines Kind. Sie war bereits im Begriff, Mitternacht über die Schlucht zu lenken; tief unten spiegelte der Fluss Scherben von Mondlicht wider.
Danielle zitterte und drückte sich noch fester an Wind.
Ihre Beine waren rissig und verkrampft und ihr Hintern protestierte bei jedem Schlag der großen Schwingen.
Der Rand der Schlucht war dicht bestanden von einer Art blühender Weidenbäume. Aus der Entfernung sahen sie aus wie Spielzeuge, eins identisch mit dem anderen, die sich wenigstens eine Meile weit zu beiden Seiten des Palasts der Königin erstreckten.
»Hier entlang!«, sagte Talia und steuerte Socke auf die Bäume zu.
Danielle sog die eiskalte Luft durch die Zähne ein, während sie ihr zusah. Es gab keine Lücke, durch die der Aviar hätte fliegen können. Die Äste hingen bis auf den Boden herab und viele sogar noch weiter, klammerten sich wie Blutegel an die raue Oberfläche der
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