Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
Vom Netzwerk:
er wandte sich wieder seinem Computer zu.
    Trr … trr … wo ist jetzt das Messerli – ich habe doch da ein Messerli gehabt, ich habe doch da ein Messerli hier gehabt , hörte ich den Emil in mir schimpfen und ließ die Schokolade liegen, die er zum Kauf anbot. Schöne Bilder waren darauf abgebildet, die vor Sonne, Enzian und Schneegipfeln nur so glänzten. Wir hatten nichts von alledem. Nicht mal gewonnen hatte ich, dabei hatte ich im Verhandlungscoaching für Frauen mit meinen Argumenten so geglänzt. Jetzt, im Urlaub, ging ich vor einem Platzwart rhetorisch in die Knie.

    »Erinnert ihr euch noch, wie es damals in Bordeaux so geregnet hat?«, fragte Nele, nachdem ich bei einem Becher Tee von meinen Erlebnissen in der Rezeption berichtet hatte.
    »Das war furchtbar. Der Regen wollte überhaupt nicht mehr aufhören«, sagte ich düster.
    »Meine Güte, waren das Schlammlawinen, die wir in das Zelt schleppten«, spazierte nun auch Renate in der Vergangenheit herum, und als hätten Fips die Gedanken von Dreck und Schlamm motiviert, sprang er mit einem Mal nach draußen und wälzte sich genüsslich jaulend in einer Wasserpfütze. »Es war der blanke Horror.«
    Wir schwiegen eine Weile, und jede hing ihren eigenen Erinnerungen an die guten alten Zeiten nach. Der Sekundenzeiger kroch nur so dahin. Ich spürte den Zeltkoller wieder in mir hochsteigen. Das war kein Urlaub, das war eine Strafkolonie.
    »Hört mal!«, forderte ich Renate und Nele auf, und wir lauschten gemeinsam nach draußen. »Totenstille!«
    Auf dem Zeltplatz war es mucksmäuschenstill, kein fröhliches Lachen, kein Zeichen von Leben, nur die Musik des Regens und das Geräusch des Windes, der die hohen Pappeln zauste. Ich vernahm Schritte im Schlamm und gequältes Stöhnen aus anderen Zelten, weil es einfach zum Kotzen ist, in einem Zelt zu liegen und nur darauf zu warten, dass endlich die Sonne wieder scheint. Irgendwann reichte es mir, denn herumzugammeln und in Gedanken ganz woanders zu sein würde unsere Probleme nicht lösen.
    »Also Mädels, was machen wir mit Fips, wenn Gritli nicht auftaucht? Wir brauchen einen Plan«, sagte ich entschlossen. Ich legte die Bücher zur Seite, die Nele mir hingeschoben hatte, und nahm einen alternativen Schneidersitz ein. An meinem rechten Ohr hörte ich die Friedenstaube turteln. »Wir sollten nicht einfach abwarten, nicht nur reagieren, sondern agieren«, schob ich nach. Und: »Möglicherweise sitzen und warten wir im falschen Luzern, das könnte ich überprüfen.«
    Nele blickte sofort auf. Mit dem »falschen Luzern«, hatte ich ihr einen Floh ins Ohr gesetzt. Innerlich zerrissen schielte sie zum Auto hin, weil dort zwar der Atlas war, sie aber den beschwerlichen Weg durch den Matsch nicht auf sich nehmen wollte.
    »O.k.«, raffte sich Renate auf. »Ich habe euch noch nicht von dem Müllmann erzählt, oder?« Sie drehte sich eine Zigarette. Nele und ich schauten sie verwundert an, und ich wollte sie schon auffordern, doch bitte beim Thema zu bleiben, als Renate fortfuhr: »Da war so ein Müllmann heute Morgen, als ich zum Klohaus gegangen bin, und wir haben kurz geplaudert. Er hat mir erzählt, dass hier schon mal jemand einen Hund für eine Gritli abgeben wollte. Er konnte sich aber nicht erinnern, ob diese Greta gemeint war oder nicht.«
    »Was?«, erschrak Nele. Sie blickte mich entgeistert an. Ich zuckte mit den Achseln und hob die Hände über den Kopf, was so viel hieß wie: Ich war damit so und so noch nie einverstanden. »Kann es sein, dass wir uns in Sonja getäuscht haben?« Nele heulte fast. »Sie war doch so nett. Eine echte Schwester. Vielleicht ist es doch nicht Tee, sondern Haschisch, was sie raucht. Vielleicht war Gritli nichts anderes als eine Halluzination.«
    »Du meinst, Sonja war im Drogenrausch?«, spitzte ich die Befürchtungen noch ein bisschen zu.
    »Also, Drogenrausch ist ja wohl ein bisschen überzogen«, wies mich Renate zurecht. »Vielleicht war sie ein wenig …«
    »… stoned?«
    Was auch nichts anderes als bekifft oder breit bedeutete. Dass man im Zustand drogenbedingter Breite allerlei wahrnimmt oder sieht, war ein Phänomen, das wir aus längst vergangenen Lagerfeuernächten kannten. Dann etwa, wenn unser Freund Zappa, der nach Frank Zappa benannt worden war, Kartoffeln zum Rösten ins Feuer warf und sich bald darauf vor Lachen bog, weil sich die Krumbeeren im Feuer angeblich in lustige Farben und zu Fratzen veränderten, während The dark side of the moon aus irgendeinem

Weitere Kostenlose Bücher