Drei Frauen im R4
durfte, weil die erst Ende der 80er aufgekommen waren.
»Wenn uns die Polizei anhält«, beruhigte Maiki uns, »dann gebe ich denen free hugs .«
Gute Idee, dachte ich, wenn wir Fips über die nächste Grenze schmuggeln, dann versuchen wir es auch mal mit der Nummer.
Vorm Zelt angekommen, hatte Maiki sich einfach auf eine Matte gelegt, von wo er uns immer wieder aufs Neue mit »Einen hab ich noch …« durch die Zeltwand drohte.
Ich konnte sowieso nicht schlafen. Alles drehte sich in meinem Kopf, und ich war aufgeregt, weil ich am nächsten Mittag Joshi treffen würde. Für dieses Rendezvous hatte ich einen besonderen Plan, aber ich wartete noch ein wenig, bis Renate, Nele, Maiki und Fips auch wirklich tief eingeschlafen waren. Wenn ich die Augen schloss, dann tauchte Joshi sofort auf. Ungläubig schüttelte ich den Kopf darüber, dass mir das passiert war. Ein junger Mann, zart und stark, und ein wundervoller Küsser. Als Neles und Renates Atemzüge tief und regelmäßig gingen, schälte ich mich vorsichtig aus dem Schlafsack. Der Basston, der aus Renates Rachen kam, verriet mir, dass sie auch wirklich tief und fest in ihrem Schlafsack ruhte. Neles Schlaf war da gefährlicher, da sie als Erzieherin gewohnt war, eigentlich mit nur einem Auge zu schlafen. »Schlaf, Nele, schlaf«, sang ich ganz, ganz leise, und tatsächlich, ein zufriedener Schimmer wanderte über ihr Gesicht, und tief im Traum kuschelte sie sich in die Kapuze ihres Schlafsackes hinein. So war es recht.
Vor unserem Zelt lag Maiki und schlummerte selig. Sein Kopf ruhte auf einem zusammengerollten Badelaken. Die Gedichte von Kristiane Allert-Wybranietz lagen aufgeschlagen neben ihm. Offenbar hatte er sich in den Schlaf gelesen. Ich schielte auf die Seite, bei der er aufgegeben hatte. »Einsam fühle ich mich dann, wenn ich eine Hand suche und nur Fäuste finde.« Uuuuh. Das Gedicht hieß Einsamkeit . Ich ging davon aus, dass Maiki es auf Umarmungen umschreiben würde. Einsam fühle ich mich dann, wenn ich umarmen möchte, aber nur Schulterpolster finde. So oder so ähnlich. Ich musste grinsen.
Sachte stieg ich über ihn hinweg und schlich barfuß über das taufeuchte Gras zwischen den Zelten hindurch. Ein Hahn begann in der Nähe zu krähen. Ich muss mich beeilen, spornte ich mich an, denn ich hatte einen Plan, einen verwegenen Plan, der nicht ganz ungefährlich war. Auf keinen Fall würde ich den süßesten Jungen von Luzern in Zehenlatschen und ausgebeulten Hochwasserhosen treffen. Ich duckte mich und spähte über den Platz. Meine Ohren waren wie die eines Luchses.
Der Zeltplatz schlief, nur ein Wohnwagen schwankte leicht, warum auch immer. Ausgerechnet dort hing eine Bluse auf der Wäscheleine, die bestens für meine Zwecke geeignet war. »La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu«, summte ich verstohlen. Rasch ließ ich den Blick über die anderen Kleidungsstücke gleiten, die vor dem Wohnwagen hingen. Die Bluse war super, den Liebestötern daneben schenkte ich keinen Blick. Leise schlich ich mich lieber zur nächsten Wäscheleine, an der eine fesche Hose hing. Pepitamuster in Mocca und Weiß. Ich hielt sie mir an. Na, die Größe würde wohl passen. An einer weiteren Leine fand ich den passenden BH , mit Bügel und ohne Zauberkreuz. Dann noch einen sexy Slip. Alles frisch gewaschen und fein duftend. Ich grub meine Nase in die Kleider. Ja, das war die Trudi, die ich kannte!
Ich fand sogar noch ein Paar Schuhe vor einem Wohnmobil, und im Waschraum einkaufsbummelte ich mir einen Nagellack, den eine Frau dort hatte stehenlassen und der perfekt zu der roten Bluse und der Pepitahose passte. Meine gesamte Beute stopfte ich in meine Jutetasche. In geduckter Haltung schlich ich zurück zum Zelt, wo ich wieder über Maiki stieg, Neles und Renates ruhigem Schlaf lauschte und dann in den Schlafsack kroch, die Tasche immer fest an meinen Bauch gepresst. Zufrieden schloss ich die Augen und tat mein Bestes, um noch ein bisschen zu schlafen. Es war ziemlich eng mit der Jutetasche im Schlafsack, aber das störte mich nicht. Ich war total gespannt, was Joshi sagen würde, wenn er mich so sah, wie ich eigentlich war. Aufkommende Gewissensbisse bekämpfte ich, indem ich mir immer wieder sagte, dass ich die Sachen ja nur ausgeliehen hatte. Auf höherer Ebene und angesichts meiner schwierigen Ausstattungslage würde doch jeder Verständnis haben. Also: kein schlechtes Karma! Ich würde ja alles zurückgeben. Nach dem Treffen. Aber jetzt freute ich mich erst mal
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