Drei Frauen im R4
darauf, in die feinen Kleider zu schlüpfen, und war schon sehr gespannt, was für ein Gesicht Joshi machen würde, wenn ich auf ihn zukam, mit sommerlich leichtem Schritt. Genüsslich malte ich mir aus, wie er erstaunt meine roten Fingernägel bewunderte und an mir schnupperte, weil ich diesmal fein nach Blüten roch. Ich freute mich so sehr, dass ich ganz unruhig wurde und mit meinem Gezappel Renate weckte.
»Uah«, machte sie und rieb sich die Augen. »Isser noch da?«, fragte sie dann. Sie meinte wohl Maiki. Ich nickte, aber sie sah es nicht, weil sie die Augen schon wieder geschlossen hatte.
»Isser noch da?« Renate wollte, dass ich mich für sie aus dem Zelt quälte. Maiki hatte uns bis zum Einschlafen die Ohren heiß gequatscht. Ich richtete mich auf und betrachtete Renate genauer. »Boah, hab ich ’ne Birne!« Kühlend legte sie sich die flachen Hände auf die Stirn. »Mach das Zelt auf, ich brauch Luft – aber nur, wenn er nicht mehr da ist.« Die Morgensonne war schon so warm, dass sie das Zelt in eine römische Dampfsauna verwandelte, aber offenbar war dieses Klima für Renate leichter zu ertragen als ein kurzer Häschenwitz.
Ihre Augen waren ganz schön glasig. Und Nele? Sie schlief noch selig. Mit einer mütterlichen Geste strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Schau doch mal … du kannst schon … isser noch da?«, stöhnte Renate sich immer tiefer in die Erinnerung der letzten Nacht.
Dadurch wachte nun auch Nele auf. Sie blinzelte, besann sich, hatte mit Renate Erbarmen und öffnete vorsichtig das Zelt.
»Ja«, flüsterte sie und machte den Reißverschluss schnell wieder zu. »Er ist noch da. Und zwar direkt vor dem Eingang.«
»Ich muss aber aufs Klo«, jammerte Renate.
Obwohl wir so vorsichtig gewesen waren, wachte Maiki auf und verlangte, ins Zelt gelassen zu werden. Er kuschelte sich zwischen unsere Schlafsäcke und umarmte wahllos nach links und nach rechts. Hellwach war er auf einmal.
»War das eine Nacht«, erinnerte er sich laut. Laut singend und umarmend waren wir vom Berg zurück ins Tal gefahren, ein Palästinensertuch und eine Frauenflagge schwenkend, die gemeinsam die Botschaft von dem erflatterten, was es auf der Erde noch nicht gibt: Frauenrecht und Frieden.
»Und was ist das da für ein Lumpen?« Maiki wedelte ein Geschirrtuch in der Hand, das ich in besagtem Frankreichurlaub zusammen mit einem billigen Wasserglas erstanden hatte. Mit meinen knapp zwanzig Jahren hatte ich nie zuvor ein schöneres Geschirrhandtuch und ein wunderbareres Wasserglas gesehen. Unglaublich, wunderte ich mich selbst, dass ausgerechnet dieses Glas und dieses Geschirrtuch sämtliche Wohnungswechsel meines Lebens überdauert hatten. Auch das Glas hielt Maiki in der Hand.
»Wo kommt denn das her?« Ich schüttelte den Kopf und verstand nicht, wo Maiki die Sachen gefunden hatte.
»Krass.« Maiki staunte das Glas an. »Das ist ja über dreißig Jahre alt!«
Er hätte auch dreihundert sagen können. Es musste ihm vorkommen, als hielte er einen Becher aus der Steinzeit in der Hand.
»Kommt ein Häsli zum Neandertaler …«, fing er an.
»Nein!«, fuhr ihm Renate sofort über den Mund. »Halt die Klappe und iss lieber was.«
Sie zog ihre nächtliche Joghurtproduktion aus dem Schlafsack, und Maiki war ganz außer sich. Wie, was, Joghurt konnte man selbst machen, und das auch noch im Schlafsack? Brav löffelte er das Gläschen aus, das Renate ihm hingehalten hatte.
»Schmeckt das geil!«, freute er sich. Eifrig fragte er, wie man einen Kefirpilz pflegte und wie die heimische Joghurtproduktion funktionierte. Musterschülerhaft notierte er sich sofort das Rezept und erkundigte sich gleich weiter, wie ein Kräuterbeet anzulegen sei. Auch in meinen Tagebüchern waren Skizzen zu finden, wie ich später einen Garten anlegen und bebauen würde. Als ich endlich einen hatte, nervte mich das Rasenmähen. Maiki war von diesen nüchternen Erfahrungen hoffentlich noch Jahre weit entfernt.
»Dann geh ich mal duschen.« Ich versuchte auszunutzen, dass die Selbstversorgung aus dem Garten im Mittelpunkt der Gespräche stand, und suchte geschäftig meine Utensilien zusammen. Alle Köpfe flogen verwundert zu mir herüber.
»Das kommt jetzt aber plötzlich«, kommentierte Nele trocken.
»Ich würde sogar sagen: Das kommt unerwartet«, korrigierte Renate.
»Ist aber so.« Ich grinste breit. »Ich bin verabredet.«
Auf Renates süffisantes »Oh, das erklärt natürlich viel« ging ich gar nicht weiter
Weitere Kostenlose Bücher