Drei Frauen im R4
ein. Ein paar Stunden Glück und Zärtlichkeit, Flirten und Lachen. Ich war ganz verrückt darauf, mit Joshi einen lila Schweizer-Schokoladen-Tag zu verbringen, und es machte auch gar nichts, dass mein Geldbeutel fast leer war und wir eher auf der Wiese liegen und Schäfchenwolken zählen würden.
»Na, was hast du vor? Wird er seinen Drachen steigen lassen?« Nele zog amüsiert die Augenbrauen hoch.
Diese Zweideutigkeit war unglaublich. Sie hatte genau das Frauenfeindliche, was man Frauen gegenüber Frauen nachsagte, auch wenn das Zitat aus einem Lied der Puhdys stammte.
»Oh, another veteran German combo?«, versuchte Maiki die Puhdys einzuordnen, aber auch seine Witzelei hielt mich nicht zurück.
Schnell zog ich die Jutetasche aus dem Schlafsack und schnappte mir meine Zahnbürste und ein Stück Kernseife. Die Seife war mir inzwischen lieb geworden, weil sie so schön nachfettete und eigentlich ganz frisch roch.
»Nimm dir etwas Bratwurst in der Dose mit«, empfahl mir Renate mit einem letzten Anflug von Sarkasmus, »damit ihr auch was zu essen habt.«
»Das ist krass!«, staunte Maiki schon wieder. Er empfand es als riesig verkaufsträchtig, Bratwurstpärchen in runde Dosen zu drücken.
An diesem Morgen war mein Interesse denkbar gering, mich über die Bratwurstvermarktung der Neuzeit auszutauschen. Jetzt, da alle wach waren und Maiki uns auf der Pelle saß, musste ich rattenscharf überlegen, wie ich am besten vorging. Und ich hatte nicht mit Fips gerechnet, der neugierig an der Jutetasche schnüffelte. Wahrscheinlich lockten ihn die unbekannten und wunderbar frischen Düfte, die der Tasche entwichen.
»Nein, Fips!« In der Hektik fiel mir nichts Besseres ein, als ihm einen der drei letzten Drops zu geben, die Nele bei unserem Geld verwahrte. Dann winkte ich den anderen lässig zu und kündigte an, dass ich erst gegen Abend wieder zurück sein würde.
»Aber kommst du nach dem Duschen denn nicht mehr zurück?«, begann mich Nele zu kontrollieren, doch ich winkte als Antwort nur ab. Nein, nein, ich würde nach dem Duschen nicht zurückkommen, und ich würde zusehen, dass ich den Campingplatz auf schnellstem Weg verließ.
»Und was ist in der Tasche?«, rief mir Renate aus dem Zelt noch nach.
»Niehiechts!«, sang ich zurück und machte, dass ich Land gewann.
Ich machte es so, wie ich es schon als Jugendliche gelernt hatte. Damals, mit vierzehn Jahren, war ich von einer feinen Familie eingeladen worden. Meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich ein Kostüm und saubere Schuhe trug, und sie hatte mich selbst in den Regionalzug gesetzt. Kaum war jedoch ihr winkendes Taschentuch aus meinem Blickfeld verschwunden, zog ich ein Paar löchrige Jeans und ein T-Shirt aus der eleganten Handtasche und verschwand damit auf der Zugtoilette. Als ich wieder herauskam, war ich die, bei deren Anblick meine Mutter in Ohnmacht gefallen wäre.
Jetzt war es wie damals, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Gleich hinter dem Zaun des Campingplatzes sprang ich in den ersten Busch, schlüpfte in die Hose und freute mich über den BH , der wie angegossen saß. Ich lackierte hektisch meine Fußnägel, zog mir die glitzernden Sandälchen an und richtete mein Haar. Meine Sachen stopfte ich in die Jutetasche, dann versteckte ich sie im Gebüsch. Erst heute Abend würde die schöne Prinzessin sich wieder in Aschenputtel verwandeln. Als ich aus dem Busch trat, wusste ich, dass ich umwerfend aussah. Attraktiv, elegant, genau richtig für das Rendezvous mit einem wesentlich jüngeren Mann. Im Seitenspiegel eines Autos überprüfte ich mein Outfit. Wunderbar, soweit ich das in dem kleinen Ausschnitt beurteilen konnte. Ich atmete tief durch. Dann stieg ich in den nächsten Bus nach Luzern, ohne eine Fahrkarte zu lösen.
Bis Luzern waren es nur wenige Stationen. Betont lässig schlenderte ich durch die Fußgängerzone und besah mich in jedem Schaufenster. Wir wollten uns an der Brücke treffen. An der Stelle, an der unsere Liebesgeschichte begonnen hatte. Als ich an einer Parfümerie vorbeikam, sprühte ich mir noch rasch ein bisschen Eau de Toilette auf die Handgelenke. Nun fühlte ich mich so richtig frisch und viel jünger als in den albernen Klamotten, in denen mich Joshi getroffen hatte. Schon von weitem sah ich ihn auf dem Rand des Brunnens sitzen. Er trug keine Mütze, sondern seine Haare fielen lockig herab. Er sah entspannt aus, wie er da saß. Aufmerksam blickte er in die Menge. Es war wunderschön zu wissen, dass ich es war,
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