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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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mit schönem Schmuck und glattem Teint. Die könnte ich sein, dachte ich, wenn ich die noch wäre, die ich gewesen war.
    »Sie können mich hier rauslassen«, erklärte ich mit neu gewonnener Klarheit und zeigte mit der Hand nach vorne.
    »Aber da ist nichts.«
    »Genau deswegen.«
    Genau deswegen, antwortete mein befreites Herz. Alles ist eins, und eins ist alles. Und auch diese Frau mit ihrem Saab gab es nur, damit ich mein Leben überdenken musste und nicht leichtfertig wieder zurück nach Hause fuhr. Etwas irritiert hielt sie am Rand der Straße, und ich reichte ihr die Hand. Mit fragendem Blick verabschiedete sie sich von mir.
    »Vielen Dank, es hat mir sehr gutgetan, mit Ihnen zu fahren.«
    »Na, wenn Sie meinen«, antwortete sie etwas säuerlich, weil sie sich veräppelt fühlte. Es war egal. Manchmal ist es wurscht, wie andere sich fühlen.

Kapitel 12
    Nur geträumt
    - Nena -
    Nachdenklich und wieder in der richtigen Verkleidung lief ich über den Campingplatz zu unserem Zelt. Mit mir beschäftigt, hörte ich dennoch meinen Freund Urs von der Rezeption, wie er seine Stimme durch den lausigen Lautsprecher des Campingplatzes knatterte und im besten Schwyzerdütsch nach einer »Trudi« rief, die bitte zu ihm kommen solle. Ich war erstaunt, dass es hier noch eine Trudi gab, fühlte mich jedoch nicht angesprochen, da in der Schweiz ja gern ein i an Wörter aller Art gehängt wird. Ob diese Trudi wohl auch Gertrud hieß und wie ich glücklich war, den altbackenen Namen los zu sein? Sofort erinnerte ich mich gerührt, wie Renate gleich in den ersten fünf Minuten unserer ersten Begegnung mich von einer Gertrud in eine Trudi verwandelt hatte.
    Mit einem sentimentalen Lächeln träumte ich mich zurück und sah Renate vor mir, damals, mit ihren zwölf Jahren, wie sie an der Bushaltestelle gesessen hatte, rittlings auf dem Ranzen, ihre geflochtenen Zöpfe baumelten lustig herunter, und kleine Sommersprossen tummelten sich wild auf ihrer Nase. Noch jetzt konnte ich fühlen, wie mir damals ganz warm ums Herz geworden war, als ich erkannte: Da sitzt sie ja, meine beste Freundin!
    Etwas später schenkte mir dann der Himmel die wunderbare Nele, so dass ich seit 1975 bestens begleitet durchs Leben gehen durfte. Nelchen, die ich in der Jugendgruppe traf und die auch mich verständnisvoll verstand, als ich ihr verschämt erzählte, dass hinter der kecken Trudi der Schnarchname Gertrud steckte. So hatte ich also nur bis zur Pubertät mit dem Alte-Tante-Namen leben müssen.
    »Telefon für Trudi!« Wieder wurde diese »Trudi« ausgerufen. Jetzt etwas eindringlicher, und im nächsten Augenblick fühlte ich mich doch angesprochen, da Urs nun genauer wurde und eine »Trudi aus Mannheim« zu sich ins Büro rief. Erschrocken blieb ich erst einmal stehen, denn es bedeutete ja meist nichts Positives, wenn sie dich ausrufen, besonders dann, wenn niemand weiß, wo du gerade steckst. Ich dachte nur, hoffentlich ist zu Hause nichts passiert, und gleichzeitig fühlte ich mich ertappt wegen der Sache mit den geliehenen Kleidern, die mir dramatisch schwer im Nacken hing. War es vielleicht besser, sich nicht zu melden? Saß die Kantonspolizei bereits in der Rezeption? Würde man mir glauben, wenn ich erklärte, dass ich von Anfang an vorhatte, alles nach und nach den Besitzern zurückzubringen? Da ich vom Typ her immer zu meinen Vergehen stehe und mir die Angst in der Seele brannte, dass zu Hause etwas nicht stimmte, lief ich nach der dritten Aufforderung von Urs, so schnell ich konnte, zur Rezeption.
    Als ich durch die Tür stürmte, stand Urs mit dem Hörer in der Hand hinter seinem Tresen.
    »Na endlich«, raunzte er mich an. »Meinen Sie, ich kann den ganzen Tag die Leitung für Sie blockieren? Was denken Sie, was heute hier los ist! Eine ganze Diebesbande hat heute Nacht den Campingplatz rasiert.«
    Erst langsam begriff ich, dass es tatsächlich um einen Anruf für mich ging. Mama?, kam mir zuerst der worst case in den Sinn. Eher fahrig als freudig griff ich also nach dem Hörer, und noch zögerlicher nannte ich meinen Namen. Aber es war nicht meine Mutter, sondern Wolfgangs vertraute Stimme, die ich hörte.
    »Liebes«, sagte er zu mir, und meine Beine wurden weich, weil nichts passiert war und er tatsächlich nur aus Sehnsucht mit mir sprechen wollte. »Liebling, wie schön, dass ich dich erreiche.«
    Auch später konnte ich nicht mehr auseinanderhalten, was in diesen Sekunden alles mit mir passierte. Glücksgefühle, Schwindel und

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