Drei Frauen und ein Braeutigam
Abend. »Wie läuft‘s bei euch?«
»Louis schmollt noch immer, weil er gestern nicht mit durfte, und Claude ist wie üblich guter Dinge«, fügt sie hinzu, wobei ihre Stimme vor Sarkasmus trieft. »Obwohl er noch gar nicht zum Brandy gegriffen hat.«
»Du hörst dich erstaunlich ruhig an, wenn man die Umstände bedenkt.«
»Wenn ich mir so betrachte, was für einen Mordsaufstand die zwei machen, dann wird mir klar, wie angenehm und unkompliziert mein Leben doch ist. Deshalb fühle ich mich auch dazu berechtigt, unglaublich selbstgefällig über den Dingen zu schweben, was eine doppelte Konsequenz hat: Ich fühle mich gut, und das treibt die beiden zur Weißglut.«
»Also braucht ihr mich eigentlich gar nicht?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Ooh, ich bin so großmütig anzunehmen, dass wir vielleicht gerade so ohne dich zurechtkommen, zumindest bis morgen...« Sie lacht.
»Du bist ein Engel, Mel. Erinnere mich dran, dir eine Gehaltserhöhung zu geben, sobald ich es mir leisten kann.«
Ich will mich gerade wieder in den Kissen vergraben, als das Telefon klingelt. »Morgen, du alte Schnapsdrossel«, erklingt eine freundliche Stimme in der Leitung. Grace.
Ich stöhne innerlich auf. »Ich weiß! Es tut mir so Leid, Grace. Hab ich mich total danebenbenommen?«
»Leider ja, fürchte ich. Aber du warst sehr unterhaltsam, also vergebe ich dir, Kleines. Außerdem«, fügt sie glücklich hinzu, »hast du Punkte gut gemacht. Rate mal, warum.«
»Kann nicht, hab Kopfschmerzen.«
»Leo geht heute Abend mit Cornelia aus.«
»Was! Siehst du, ich hab dir einen Gefallen getan.« Ich fange an zu lachen, doch dadurch schmerzt mein Kopf nur noch mehr. »Bedeutet das, dass du es mir nicht übel nimmst, wenn ich Finn wieder sehe?«
»Bist du sicher, dass du das willst? Laut Stuart ist er ein ganz schöner Schwerenöter.«
Im Vergleich zu Stuart wäre sogar ein Franziskanermönch ein Schwerenöter.
»Vielleicht. Aber erst einmal muss er mich anrufen.«
»Erst einmal muss er sich von seinem Koma erholen«, entfährt es Grace. »Du hättest ihn sehen sollen, Ollie. Wir haben ihn schließlich zugedeckt und die Nacht auf dem Sofa schlafen lassen. Er ist dann irgendwann vor dem Mittagessen aufgewacht und war immer noch zu knülle, um nach Hause fahren zu können. Also haben wir ihn in ein Taxi gesetzt.«
»In diesem Fall kann ich von Glück sagen, wenn er sich überhaupt an mich erinnert«, seufze ich.
»Du könntest von Glück sagen, wenn er es nicht tut!«, scherzt Grace. »Was ist mit Dan?«
»Was soll mit ihm sein?«, entgegne ich verdrossen, da ich höchst peinlich berührt bin.
»Hat er dich heil nach Hause gebracht?«
»Ja, danke.« Ich beschließe, dass es sicherer ist, das Thema Dan Slater zu meiden. Im Moment halte ich es sogar für das Beste, so zu tun, als gäbe es ihn gar nicht. »Weißt du noch, ob ich Finn meine Nummer gegeben habe?«, frage ich in dem Versuch, das Thema zu wechseln.
»Na, wenn du es schon nicht mehr weißt, wie um Himmels willen soll ich es dann wissen?«, spottet sie.
»Ich glaube schon.«
»Wahrscheinlich hat er sie sowieso verloren.«
»Warum das denn?«
»Weil er so ziemlich alles verloren hat: den Großteil seiner grauen Zellen, das Frühstück, das ich versucht habe, ihm einzuflößen, als er endlich aufwachte...«
»Ich weiß, wovon du redest!«, stöhne ich. »Auch ich fühle mich heute Morgen etwas angeschlagen.«
»Daran bist du ganz allein schuld. Stuart hält dich für komplett verrückt, weißt du.«
»So?« Ich weiß nicht, ob das aus seinem Mund eine Beleidigung oder ein Kompliment ist.
»Yep. Für durchgeknallt.«
»Sag ihm, ich hätte halt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ach, und Grace, wenn Finn meine Nummer wirklich nicht mehr hat, dann gibst du sie ihm, ja?«
»Nicht gerade sehr subtil, oder?«
»Gib sie ihm einfach, Grace.«
»Vielleicht solltest du dich ein bisschen distanzierter geben.«
»Ich bin seit mehr als zwei Jahren Single, Grace. Wie viel distanzierter soll ich deiner Meinung nach noch sein?«
In dem Versuch, jeden Gedanken an Dan Slater in den Teil meines Gehirns mit der Aufschrift »Zugang verboten« zu verbannen, wo ich die peinlichsten Zwischenfälle meines Lebens, die PIN meiner Kreditkarte und das Versteck für die Ersatzschlüssel meines Autos gespeichert habe, wende ich meine Aufmerksamkeit Finn zu.
Ich mag Finn. Es ist eine Weile her, dass ich einen Mann so mochte. Es ist nicht so, als wäre ich total abgeneigt, eine Beziehung
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