Drei Frauen und ein Braeutigam
Hallo sagen könnt. Dann mache ich die große Besichtigung mit euch!«
Im Stall, soso. Klingt verheißungsvoll. Vielleicht erhalten wir endlich einen flüchtigen Einblick in das, was Grace an Stuart findet. Das Mr.-Darcy-Syndrom.
Als wir Grace durch die beeindruckend hohe Eingangshalle und durch einen langen, dunklen Korridor zur Rückseite des Hauses folgen, sehe ich vor meinem inneren Auge einen neuen Stuart - mit entblößtem Oberkörper, in eng anliegenden Reithosen und polierten, kniehohen Lederstiefeln, die breite Brust schweißbedeckt, weil er einen rassigen Hengst an der Longe hat, die er fest um eine Hand geschlungen hält, während er in der anderen eine lange Peitsche hält. Ich weiß auch nicht, warum Stuart plötzlich eine breite Brust haben soll, aber die Vorstellung ist sehr beeindruckend. Kann mich bitte jemand mit einem feuchten Tuch abwischen, ich fange an zu dampfen. Ich hatte immer gehofft, Stuart möge verborgene Tiefen haben, irgendeinen ausgleichenden Pluspunkt, der uns klarmachen würde, dass er eigentlich der perfekte Partner für Grace ist. Bleibt zu hoffen, dass wir sie entdecken, bevor ich gezwungen bin, ihn mir a la Mata Hari vorzuknöpfen. Bei dem Gedanken kühle ich ein bisschen ab, doch unruhig bin ich noch immer.
Im Hof sind tatsächlich Pferde. Sogar mehrere, die schnauben und stampfen und uns nervös aus der Sicherheit ihrer Boxen beäugen. Tanya erliegt anscheinend den gleichen romantischen Visionen a la Jane Austen wie ich. Sie scheint richtig aufgeregt zu sein, beugt sich sogar nach unten, um eine hübsche, getigerte Katze zu streicheln, die die Kühnheit besitzt, sich am Bein ihrer Designerhose zu reiben. Doch als ein Pferd freundlich seinen Kopf aus der Stalltür steckt und Tanyas Lederjacke von Gucci mit grüner Pferdespucke voll sabbert, läuft sie ähnlich grün an und murmelt wütend etwas davon, dass sie »das Landleben hasst«.
Schließlich treffen wir in einer großen Scheune auf Stuart, und meine wilden Fantasien zerplatzen wie Luftblasen. Stuart kümmert sich nicht um einen heißblütigen Araber mit wallender Mähne und geblähten Nüstern, sondern um einen fetten schwarzen und schimmernden Traktor. »Plopp« machen meine Träume.
Er kriecht darunter hervor, als Grace ihn ruft. Er ist nicht mal ölverschmiert und trägt auch keinen eng anliegenden Overall oder zerrissene Levis oder sonst etwas, was die Situation irgendwie gerettet hätte. Stattdessen steht er in einer alten braunen Cordhose vor uns, einem grün karierten Hemd und einer ausgebeulten Weste. Und dazu trägt er, Abgrund aller Abgründe, eine karierte Schirmmütze.
»Wie geht‘s, wie steht‘s.« Er strahlt uns an, wischt die ölverschmierte Hand an der Cordhose ab und streckt sie uns entgegen. Da die beiden anderen noch immer entsetzt die Schirmmütze anstarren und sich nicht vom Fleck rühren, befinde ich, dass es an mir ist, die alles andere als annehmlichen Annehmlichkeiten zu erwidern. Ich ergreife seine Hand. Letztes Mal war sie schwitzig. Dieses Mal ist sie schwitzig und schmierig. Leeecker!
»Freut mich riesig, dich wieder zu sehen.« Ich ringe mir ein Lächeln ab, fische in meiner Handtasche nach einem Taschentuch und schaffe es, mir die Hand abzuwischen, indem ich so tue, als würde ich mir die Nase putzen. »Klasse Anwesen hast du hier.«
»Wirklich? Danke«, sagt er, als hätte er es selber gerade erst bemerkt.
»Er hat den ganzen Tag an dem Ding gebastelt«, verkündet Grace nachsichtig und deutet auf die Maschine, als sei sie auch noch stolz darauf.
»Wie wärs mit einem Ausritt? Ihr müsst nur fragen, ich würde mich glücklich schätzen...«
»Ich wäre durchaus dafür«, antworte ich begeistert. »Ich bin als Kind geritten.«
»Ich denke, er meint das Stahlross«, flüstert Louis mir ins Ohr, als Stuart mit einem Finger über das Namensschild der Bedford Belle fährt, um ein eingebildetes Stäubchen wegzuwischen.
Na klasse. Er meint keinen aufregenden Galopp zu Pferde auf den umliegenden Feldern, sondern ein langsames Tuckern auf dem dicken, dunklen, dämlichen Ding, an dem er herumgebastelt hat. Wir lehnen höflich ab, in der Annahme, dass sogar Koffer auspacken spannender ist, und kehren zur Vorderseite des Hauses und zu meinem Auto zurück.
Wir müssen dreimal gehen, um das ganze Gepäck in unsere Zimmer zu schleppen. »Ich hoffe, er hat eine Putzfrau«, sage ich zu Grace, als wir zum dritten und hoffentlich letzten Mal nach oben und durch den kilometerlangen Korridor
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