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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Autoren: Delia Ephron
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gewundert hat. Er sah sich die Tür an, aber sie war nicht kaputt. Jemand war nachlässig gewesen, mehr nicht. Er holte eine Kirsche aus dem Glas und steckte sie in den Mund. Er nahm noch eine, setzte sich auf einen Hocker und kaute.
    Sie schmeckten köstlich. Er aß den Rest.
    Dann sah er es.
    Er wischte sich die Hände an den Jeans ab, ehe er nach dem zarten Ding griff und es hin und her drehte. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was es war: ein Hochzeitsschleier. Warum hat er ihn nicht in die Schachtel mit den Fundstücken gelegt, die in der Küche stand und in der schon mehrere Sonnenbrillen, ein Schal, ein Stirnband und ein Her renstiefel waren? Es gab überhaupt keinen Grund, mit etwas so Kostbarem herumzuspielen, einem Ding, das für jemanden ganz offensichtlich wertvoll war, und jetzt wusste er auch, für wen. Stattdessen hatte es ihn neugierig gemacht. Wer hatte geheiratet? Clayton nicht, das konnte er ausschließen. Man musste sich erst ein paarmal verabreden, ehe man heiraten konnte, und seit ihm die Frau abgehauen war, wie seine Mutter ihm erzählt hatte, war Clayton solo. Tagaus, tagein solo.
    Mit dem Greifer der Stange fasste Tim den Schleier an der glitzernden Krone, winkte damit hin und her. Er weiß noch, dass er »hübsches Ding« dachte, als der Netzstoff wie ein Segel im Wind flatterte. Sehr schräg stützte er sich mit dem Ellbogen auf die Theke und sah hinauf zu dem Schleier, als er die Stange, die er mit der freien Hand schwenkte, plötzlich sinken ließ. Ach je, er war so müde. Daran erinnert er sich noch ganz genau, weil es der Moment ist, auf den er jede Nacht wartet – so erschöpft und hinüber zu sein, dass ihn der Gedanke, in das leere, muffige Zimmer im Tulip Tree Motel zurückzukehren, nicht absolut fertigmacht.
    Ich probiere jetzt bloß noch eines, dachte er noch, eine einzige Sache, und dann gehe ich.

13
    Der Haken ist verbogen. Die Tür ist aufgequollen oder geschrumpft oder hängt schief. Auf jeden Fall kann sie das Bad nicht absperren. Wie haben Lana und Rita das gemacht? Vielleicht war es ihnen egal. Schließlich drückt Tracee den Haken gewaltsam in die Metallöse und zwickt sich den Finger.
    Sie stellt ihre Handtasche auf dem Rand des Waschbeckens ab, öffnet sie weit und sieht ganz unten die Halskette glitzern. Sie probiert sie nur selten an. Schon der bloße Anblick wirkt hypnotisierend auf sie, löst Fantasien aus von einem Leben, das sie nicht hatte. Sie legt die Kette auf den Spülkasten und freut sich über das Glitzern, während sie sich das Gesicht wäscht und ihr Hemd hebt, um sich mit kühlem Wasser direkt aus dem Hahn zu bespritzen. Die Halskette ist noch keine Woche lang in ihrem Besitz, aber wenn sie nicht alle paar Stunden nachsieht, macht sie sich Sorgen, die Kette könnte verschwunden sein – aus der Handtasche gefallen oder vielleicht sogar gestohlen.
    Lana klopft an die Tür.
    Tracee greift schnell nach der Kette.
    »Wir müssen los«, sagt Lana.
    Tracee versteckt die Halskette wieder in ihrer Hand tasche, tief unter den anderen Sachen.
    »Was?«, fragt Lana, als Tracee die Tür öffnet.
    »Was was?«, gibt Tracee zurück.
    Lana flüstert: »Hast du gerade etwas geklaut?«
    Tracee breitet die Arme weit aus. Wie denn? Hier gibt es doch nichts zu stehlen.
    »Du hattest diesen besonderen Gesichtsausdruck.«

14
    Um zehn Uhr an diesem Abend wird den Frauen klar, in was für einem Schlamassel sie stecken: Der Lion ist nicht gut besucht. Gerade mal sechs Tische sind besetzt, vereinzelte Inseln der Aktivität, einer davon von ein paar Männern aus der nahen Fabrik, die eine Scheidung feiern. Sie sind bei ihrem dritten Pitcher Bier und bestellen den vierten. Ein paar von Claytons Freunden liegen ihm damit in den Ohren, dass die NASCAR-Rennserie absolut am Ende ist. Ein ruhiges Paar zeigt Tracee Fotos von den Enkelkindern. Die beiden nippen schon seit zwei Stunden am selben Whiskey-Cocktail, obwohl Tracee sich alle zwanzig Minuten höflich erkundigt, ob sie noch etwas bestellen möchten. Sie füllt die Erdnussschale immer wieder auf.
    Clayton steht in seinen Sweatshirt-Klamotten hinter der Bar und bietet einen deprimierenden Anblick, finden die Frauen.
    Rita nimmt ihre Aufgabe ernst. Sie stellt fest, dass die unbenutzten Gläser schmutzig sind und gespült werden müssen. »Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine Arbeit, für die ich bezahlt wurde«, vertraut sie Tracee und Lana an. Hin und wieder sieht sie prüfend zu dem Löwen hinüber, entweder mit
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