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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Autoren: Delia Ephron
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Astronautenriegel. O Mann, er hat es wirklich vermasselt. Er muss es ihr sagen. Er muss es gestehen. Er überlegt, wie er es begründen kann. Wie soll er das bloß erklären?
    Er steht am Ufer, wirft Steine über den Fluss, der an dieser Stelle so schmal ist wie ein Schwanenhals, und versucht zu begreifen, was passiert ist.
    Letzte Nacht – oder eigentlich am frühen Morgen – hat er, ehe er heimfuhr, einen Abstecher zum Lion gemacht, weil es sein Job ist, in dem Lokal zu putzen. Allerdings fährt er gelegentlich auch dann vorbei, wenn der Lion geschlossen ist, einfach nur, um dort zu sitzen und das wilde Tier anzusehen, das ihn überhaupt nicht beachtet. Zwei einsame Männer, einer schon älter (der Löwe), der andere noch jung (Tim), vierundzwanzig und das berufspraktische Community College in Raleigh seit zwei Jahren hinter sich. Dort hat er die Möbelbranche bis in alle Einzelheiten studiert, was sich als komplett nutzlos erwiesen hat, weil die Firmen – und es gab viele davon – während seines Studiums die Produktion nach Mexiko verlegten. »Ist gerade ungünstig. Personalkürzungen. Niemand stellt ein«, sagt er zu allen, die sich erkundigen. Aber das tut kaum einer, weil alle wissen, dass diese Personalkürzungen fast das ganze Land betreffen.
    Tim machte sich daran, sich einen anderen Plan und ein anderes Leben zusammenzuschustern.
    Im Supermarkt hat er wahnsinnig spät noch gearbeitet, weil Ronald, der die Schicht nach ihm macht, einen kranken Hund hat. Tim wollte deswegen kein Theater veranstalten, auch wenn King ziemlich oft krank wird, und Tami, die an der Kasse sitzt, findet, dass Ronald ein Arschloch ist. Macht doch nichts, wenn Tim ein paar Überstunden einlegt. Macht doch nichts, dass Tim Assistent des Filialleiters ist und überhaupt nicht für Ronald einspringen dürfte. Tim kann Tami nicht allein lassen, man weiß nie, was passiert. Sie hatten zwar noch nie einen Raubüberfall, aber die Kunden können ziemlich lästig werden. Die Information, dass es beim Umtausch kein Bargeld gibt, lässt sie gelegentlich ganz schön ausrasten. Es war drei Uhr morgens, sogar noch ein bisschen später, als er in den Lion kam, um zu erledigen, was er am Tag zuvor absichtlich liegen gelassen hatte. Alles nur, um nicht in das elende, winzige Zimmer zu müssen, in dem er lebt.
    Die Frauen entdeckte er nicht, weil er nicht ins Herrenklo ging. Er bemerkte auch das offen stehende Fenster nicht, vielleicht, weil er abgelenkt war. Er hatte Heimweh.
    Er sehnte sich nach dem Haus seiner Mutter, sechzig Meilen weit weg in der Nähe von Wendell. Er vermisst es sehr, besonders die Gerüche. Seine Mutter bäckt ständig irgendetwas, Kekse oder Obstkuchen mit Streuseln – Heidelbeeren oder Äpfel. Sie wäscht ihm die Wäsche, und sein Bett zu Hause ist bequem. Die Bettwäsche riecht gut. Seine Mutter trocknet sie auf altmodische Art draußen auf der Leine.
    Er hatte die Stange mit in den Pub genommen. Wieso bloß? Am liebsten würde er sich jetzt dafür ohrfeigen. Er sperrte das Hängeschloss auf, bekam wie immer Rostflecken an den Händen und holte dann die Stange aus dem Auto. Klar, er brauchte sie. Die Rollen mit den Papierhandtüchern lagen ganz hinten im obersten Fach eines vollgepackten Schranks. Trotzdem hätte er auch auf einen Stuhl steigen können. Drinnen im Lion drückte er nur einen einzigen Lichtschalter. Ein paar Wandlampen verbreiteten schummriges Licht, und es dauerte eine Weile, bis ihm etwas auffiel. Tim spart Strom. Er benutzt nur die Lampen, die er wirklich braucht, weil Clayton sich darüber freut. Dass die Klimaanlage für Mr. M während der Sommermonate rund um die Uhr laufen müsse, bringe ihn schon an den Rand der Pleite, sagt Clayton. »So weit habe ich damals einfach nicht gedacht«, hat er ihm erzählt.
    Der Löwe lag auf der Seite und schlief. Tim hatte nachgesehen – die Augen standen offen. Manchmal waren sie offen, manchmal zu, was Tim faszinierend findet. Hat ein Löwe zwei Arten von Schlaf?
    Er war gerade damit fertig geworden, die paar schmutzigen Tische abzuwischen, als er ein gutes Stück entfernt, auf der anderen Seite des Raumes, das Durcheinander auf der Theke bemerkte und hinüberging, um es sich genauer anzuschauen.
    Drei halb leere Gläser, in denen wahrscheinlich Pepsi war, herumliegende Nüsse und Krümel von Salzbrezeln sowie ein zur Hälfte geleertes Glas mit Maraschinokirschen. Der kleine Kühlschrank unter der Bar stand offen. Weit offen. Er weiß noch, dass er sich darüber
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