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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Autoren: Delia Ephron
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zu trauern, die mit einem anderen Mann auf und davon gegangen war, zerbrach er beinahe am Tod seines Hundes. Natürlich war an seinem Zusammenbruch nicht nur die Trauer wegen Rocky schuld. Es war der Doppelschlag, der ihm zu schaffen machte, der summierte Verlust. Clayton stürzte völlig ab. Er hörte auf, sich um sein Haus zu kümmern, lebte nur noch im Wohnzimmer, schlief auf dem Sofa. Pullover und Hosen aus Sweatshirtstoff waren am einfachsten anzuziehen. Außerdem wurde er sarkastisch. Er konnte nichts dagegen tun.
    Um die Zeit, als Clayton emotional abstürzte, gerieten der Tabakanbau und die Möbelindustrie in die Krise. Einige Farmer stiegen auf Sojabohnen um, aber das brachte nicht sonderlich viel ein. Alle hatten weniger Geld in der Tasche, und Clayton’s Place wirkte deprimierend, weil Clayton so deprimiert war. Viele seiner Kunden waren selbst schon deprimiert genug. Nur ein paar Stammgäste hielten ihm noch die Treue, um ihn aufzumuntern oder weil sie die lieb gewonnene Gewohnheit nicht aufgeben mochten.
    Dabei blieb es, bis vor zwei Jahren seine Tante starb. Die Schwester seiner Mutter. Sie war das letzte noch lebende Familienmitglied gewesen und hatte ihn in ihrem Testament als Erbe benannt. Clayton musste nach Florida fahren, um ihre kleine Eigentumswohnung zu verkaufen.
    Es fühlte sich gut an, in der Gegend von Miami unterwegs zu sein. Der 1957er Chevy fügte sich in die Landschaft ein, er passte zu den eleganten Gebäuden aus den Fünfzigerjahren, von denen viele eine orangefarbene Fassade hatten oder wenigstens orangefarbene Verblendungen, genau wie die Ledersitze seines Autos und das Armaturenbrett. Auch die Seeluft wirkte anregend auf Clayton. Eine Woche lang sortierte er den Besitz seiner Tante aus und fand einen Makler, der sich um den Verkauf der Wohnung kümmerte. An den Abenden saß er draußen unter einem Strandschirm einer nahen Bar und aß Fischtacos und trank Mojitos. Keine Frage, er war nicht mehr nüchtern, als er nach einer Zeitung griff, die jemand am Nebentisch liegen gelassen hatte. Er las die Kleinanzeigen und entdeckte unter »Tiermarkt« eine Annonce, in der eine »große Katze« angeboten wurde. Sofort wusste er, was gemeint war. Jemand wollte einen Löwen loswerden.
    Er rief an. Die Frau am Telefon hatte einen Akzent, den er nicht einordnen konnte. Dass sie ausländisch klang, machte ihn noch misstrauischer. Anstatt zu sagen: »Worum geht es? Verkaufen Sie einen Löwen?«, sagte er: »Ich bin an dem interessiert, was Sie verkaufen.«
    Sie erwiderte höflich: »Wir treffen uns gerne mit Ihnen, heute Abend um neun im Jefferson Park.«
    Durch ein ungewöhnlich gestaltetes schmiedeeisernes Gittertor betrat er einen tropischen Garten, eine Oase mit hohen Blattpflanzen und Palmen, deren riesige Wedel sich gegen den Nachthimmel abhoben. Das Paar erwartete ihn.
    Er konnte die beiden kaum erkennen. Im Park war es dunkel und schattig, und sie waren schattenhafte Gestalten – olivfarbene Haut, schwarz gekleidet, mit schwarzen Augen und glänzendem Ebenholzhaar, ihres lang und gerade, seines ebenfalls lang, aber wellig und hinter die Ohren geschoben. Clayton nahm an, dass sie Zigeuner waren, wobei das eher auf seiner Vorstellung von Zigeunern als auf konkreter Erfahrung beruhte und auf der Tatsache, dass die Frau große goldene Ohrringe trug sowie ein Armband, das klirrte. Sie hatte eine tiefe, sinnliche Stimme, was die Situa tion noch ungewöhnlicher und erregender machte und Claytons Bereitschaft erhöhte, sich dem Geschehen einfach hinzugeben.
    Keiner von ihnen nannte seinen Namen.
    Sie führten ihn zu einer Straße, wo ein Pferdeanhänger parkte.
    »Der Zirkus kann ihn nicht mehr brauchen«, sagte die Frau, als Clayton durch eine kleine vergitterte Öffnung in den Trailer blickte.
    Der Löwe sah ihn an. Die auffallenden gelben Augen, die wie von einem Pinsel schwarz umrahmt waren, blieben ausdruckslos. Sie verrieten nichts. Den Kopf hielt er gesenkt. Er stirbt, wenn ich ihn nicht nehme, dachte Clayton. Vielleicht dachte er dabei auch an sich selbst. Das war auch seine letzte Chance. Und dennoch sah es so aus, als wollte das Tier gar nicht gerettet werden. Uninteressiert wandte es den Kopf ab.
    Clayton glaubte die Geschichte – dass der Löwe aus dem Zirkus stammte. Er wusste, dass der Zirkus den Sommer oder den Winter in Florida verbrachte, immer die Saison, in der er nicht auf Tournee war.
    »Warum verkaufen Sie ihn nicht an einen Zoo oder einen dieser Safariparks?«
    »Niemand
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