Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
geglaubt hast, du hättest keine Fantasie. Weißt du noch, wie du das gesagt hast? Und jetzt schau dich an, mit Marcel. Jeder hat Vorstellungskraft, außer sie wurde ihm mit Fußtritten ausgetrieben.«
»Du kannst gar nicht fortgehen«, sagt Tracee. »Was würden wir denn ohne dich tun?«
»Aber wir gehen doch auch wieder fort«, sagt Lana.
»Ach, stimmt. Hab ich vergessen. Was hat dich dazu gebracht, von zu Hause abzuhauen?«, fragt sie Rita.
Rita schüttelt den Kopf und wundert sich noch in der Erinnerung an den Moment. »Es war, als stünde plötzlich die Käfigtür offen. Wegen einer Taufe kam Harry später aus der Kirche, und ich bereitete gerade das sonntägliche Mittagessen zu.«
»Kartoffelsalat?«
Sie lächelt. »Ich musste ihn nur nachwürzen. Ich hatte ihn schon am Abend vorbereitet. Da schaute ich aus dem Fenster und sah den Lieferwagen eines Installateurs. Nicht der aus dem Dorf – vermutlich brauchte jemand den Notdienst. Ich dachte: ›Das ist dein Fluchtauto. ‹ Es war wie ein Fieber. ›Das ist deine Chance, du musst sofort weg.‹ Ich stellte das Paprikaglas ab, nahm meinen Geldbeutel, legte den Ehering auf den Kaminsims. Ich musste fest ziehen, um ihn runterzubekommen, und einen Moment lang fragte ich mich, ob ich überhaupt gehen würde, weil ich den Ring auf keinen Fall mitnehmen wollte. Komisch, warum hätte mich das aufhalten sollen? Na ja, ich habe ihn abbekommen – hab den Installateur gerade noch erwischt, als er losfahren wollte, hab ihm erzählt, die Batterie meines Autos sei leer und ob er mich am Lebensmittelladen der Keenes absetzen könne. Das ist direkt an der Hauptstraße. Ein paar Stunden später habt ihr mich gefunden.«
»Du hast uns gefunden«, sagt Lana. »Bist du sicher, dass Harry dich wiederhaben will? Du hast ihn verlassen. Damit musst du ihn doch vor der gesamten Gemeinde bloßgestellt haben.«
»Unglücklicherweise vergibt Harry gern. Ich meine, ich habe ihn ja nur verlassen.« Sie denkt einen Augenblick nach. »Ich gebe zu, dass ich nicht mal einen Zettel hingelegt habe, als ich aus der Tür bin, aber ich habe ja kein Gebot verletzt. Wenn ich eines der Zehn Gebote übertreten hätte, dann vielleicht …«
»Es mit einem anderen Mann zu machen, wäre das nicht eines davon?«, fragt Tracee.
»Du meinst, ihn zu betrügen?«
»Du könntest mit Clayton schlafen.«
»Ich weiß, es ist schwer zu verstehen für euch beide, weil ihr noch so jung und frisch und hoffnungsfroh seid, aber ich will keinen anderen Mann mehr in meinem Leben. Außer Marcel.«
39
Clayton klappt alle hinteren Türen auf.
Rita liebt es, wenn die Wand verschwunden ist und draußen und drinnen ineinander übergehen. Marcel kann die Bäume und das Gras riechen und noch andere herrliche Düfte, die der Wind heranträgt, wie den Geruch der Steaks, die an diesem Abend auf dem Grill brutzeln. Natürlich wacht er auf und streckt sich. Der Mond ist fast voll und nur verschwommen zu sehen, und bloß die hellsten Sterne leuchten, die anderen sind von einem Wolkenschleier verdeckt. Die Luft ist feucht, ab und zu fegt eine heiße Böe hindurch und schlägt die Flammen am Barbecue-Grill nieder. Sekunden später, wenn der Wind so plötzlich erstirbt, wie eine Hand sich zur Faust ballt, flackern sie wieder auf. Hinter Clayton und seinem Grill beginnt das Nichts, die Welt scheint regelrecht zu enden. Und doch ragen in weiter Ferne, wie am anderen Ufer eines schwarzen, unergründlichen Meeres, die Spitzen hoher, schmaler Kiefern in den Nachthimmel.
»Wie möchtet ihr eure Steaks?«, ruft Clayton den drei Frauen zu und wirft mehrere von Marcels Mahlzeiten auf den Rost.
»Blutig«, sagt Lana.
»Für mich medium. Und für Tim auch, oder?«, sagt Tracee, während Tim sich ans Putzen der Toiletten macht.
»Ich bin jetzt vielleicht Vegetarierin«, ruft Rita.
Selbst aus der Entfernung kann sie sehen, wie Clayton in sich zusammensinkt. Er bekommt einen Niesanfall, zieht ein Taschentuch heraus und schnäuzt sich.
Rita gibt nach und geht zu ihm. »Mach meines medium-rare. Und wirf Marcel bitte ein rohes hinein.«
»Kommt sofort.«
»Wir sollten Clayton auch Gesellschaft leisten«, sagt Tracee, aber Lana hält sie zurück.
»Wir gehen wieder fort, das weißt du.«
Tracee kaut auf ihrer Unterlippe.
»Mein Auto ist repariert.«
»Tatsächlich?«
»Mehr oder weniger.«
Tracee steht auf und geht nach draußen.
Lana sitzt allein da und rutscht auf ihrem Stuhl herum, mit wütendem Gesicht.
Marcel tappt in die
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