Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
Sinn des Caminos mitbekommen. Sahen sie noch etwas von der Schönheit der Natur, durch die sie sausten, die vielen Blumen und blühenden Ginster- und Erika-Büsche? Waren dies alles nur oberflächliche Menschen, die den Jakobsweg nur als sportliche Herausforderung sahen, das Bestehen der Strecke, das Sammeln von Stempeln als Beweisführung, den Weg geschafft zu haben, weil man dann in Santiago de Compostela die offizielle Urkunde bekommt? Oder gab es auch welche unter ihnen, die den eigentlichen Sinn noch begreifen würden? Plötzlich hielt ich inne. Was mache ich denn schon wieder, was maße ich mir eigentlich an? Ich urteilte über Menschen, die ich nicht kannte! Natürlich waren sie rüpelhaft und egoistisch unterwegs, das zeigten sie uns ja täglich. Aber war ich wirklich der bessere Mensch, nur weil ich mit schwerem Gepäck und zu Fuß unterwegs war? Schließlich hatte ich ja auch sechs Wochen Zeit zur Verfügung. Was hätte ich gemacht, wenn auch ich nur zwei Wochen Urlaub hätte? Wäre ich vielleicht auch mit dem Rad gefahren, um wenigstens die Chance zu haben, den Jakobsweg und alles, was ich damit verbinde, kennenzulernen? Ich urteilte hier und es stand mir überhaupt nicht zu! War das jetzt eine Erleuchtung? Waren das jetzt meine Worte oder sprach gerade Gott mit mir, um mich wieder einmal zurechtzurücken? Voller Demut begann ich zu beten und bat um Verzeihung, meiner großen Arroganz wegen. Die Antwort war: Alles wird gut. Jetzt wurde mir wieder ganz wohlig ums Herz. Ja, ich weiß, alles wird gut.
Bevor ich mich versah, hatten wir, trotzdem es ständig bergauf ging, auch schon Rabanal del Camino erreicht. Franzi kletterte ausgeschlafen aus ihrem Wagen und freute sich auf eine gute von ihrer Omi mitgebrachte Orange. Wir legten eine großzügige Pause ein, schließlich war es ja erst elf Uhr vormittags. Da konnte man die Mittagspause schon vorziehen. In dem schönen Ort Rabanal saßen wir vor einem kleinen Lokal und aßen und tranken etwas. Unsere Kleine malte mit ihren Kreiden wieder Kästchen und Kreise auf die Straße, als plötzlich zwei Spanier – Vater und Sohn – auf wunderschönen Rassepferden in den Ort kamen und ebenfalls hier Rast machten. Sie sahen aus wie Kolonialherren hoch zu Ross. Zur Freude unserer Franzi, deren Augen bei dem Anblick dieser wunderschönen Tiere leuchteten, hob einer der beiden sie auf sein Pferd. Ganz stolz lächelte sie in die Kameras aller herbeigeeilten Pilger. Es war schön zu sehen, wie sehr sie sich freute.
Langsam wurde es Zeit, uns wieder auf den Weg zu machen. Die etwas längere Pause tat mir gut und so war es auch kein Problem mehr, weiterzulaufen, obgleich ich wusste, dass es jetzt anstrengend werden würde. Der Anstieg nach Foncebadon, unserem heutigen Etappenziel, lag vor uns. Schon im Ort ging es bergauf. Peter und Larissa schoben zu zweit. Wir verließen Rabanal und liefen entlang der Hauptstraße. Larissa ging es dann plötzlich nicht mehr schnell genug, obwohl sie wusste, dass mich mein rechter Fuß heute wieder besonders ärgerte, und sie lief voraus. Peter blieb bei mir, obwohl ich ihn bat sich um die beiden zu kümmern. Aber er entgegnete mir nur, wenn es ihr zu schwierig würde, würde sie schon warten. Jetzt wurde der Anstieg immer steiler. Wegen des Kinderwagens und um Larissa beim Schieben helfen zu können, blieben auch wir auf der Straße und nahmen nicht den kürzeren und schöneren Fußweg. Leider umsonst – Larissa schob und schob. Der Abstand zwischen uns betrug jetzt sicher bereits 200 Meter. Ich sah nur noch den Kinderwagen, in gleicher waagrechter Stellung die ausgestreckten Arme und einen auf dem Rücken in waagrechter Position liegenden Rucksack. Der Kopf war tiefer als die Lenkstange. Ich war etwas ärgerlich, aber vor allem auch enttäuscht. Gerne hätten wir ihr geholfen, aber sie wollte mal wieder zeigen, dass sie besser war als wir. Was hatte sie davon, wenn sie sich so plagte?
Nach gut einer Stunde aufwärts hatten wir Foncebadon erreicht. Direkt neben der Straße lag die Privatherberge, in der wir wieder zwei Doppelzimmer gebucht hatten. Daneben ein Lokal, ganz urig und gemütlich eingerichtet. Nachdem wir die Rucksäcke in die Zimmer gebracht hatten, setzten wir uns in den gemütlichen Gastgarten und tranken erst einmal unser tägliches »Elektrolyte-Getränk«, ein kühles grande Cerveza. Auf meine Nachfrage, warum es meine Tochter so eilig hatte, sagte sie nur: »Ich wollte euch nicht belasten.« Ich sagte ihr daraufhin,
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