Drei Hände Im Brunnen
hartherzig erwidern, dass der Mann, wenn das stimme, aber einen grauenhaften Geschmack habe.
XLIV
Ich war bereit, Milvia mit noch barscheren Worten wegzuschicken, doch wir wurden von Julius Frontinus unterbrochen, der uns einen seiner regelmäßigen Überprüfungsbesuche abstattete. Er machte mir geduldig ein Zeichen, dass ich fortfahren solle. Ich erklärte ihm kurz, dass das Mädchen denke, seine vermisste Mutter sei von unserem Mörder aufgegriffen worden, und dass sie um unsere Hilfe bitte. Er folgerte wahrscheinlich, dass ich ihr die Mitleid erregende Geschichte nicht abkaufte, noch bevor ich murmelte: »Ein Problem mit Situationen wie diesen ist, dass die Leute auf Ideen kommen. Jede Frau, die auch nur eine Stunde länger als sonst auf dem Markt bleibt, wird sofort als das nächste Opfer betrachtet.«
»Wodurch wir Gefahr laufen, die wirklichen Opfer zu übersehen?« Es war lange her, seit ich von einem intelligenten Klienten angestellt worden war.
Helena knöpfte sich das Mädchen noch mal vor. »Wenn Familienmitglieder verschwinden, Milvia, hat das meist häusliche Gründe. Nach meiner Erfahrung kann es etwas heikel werden, wenn eine willensstarke Witwe bei ihren verheirateten Kindern einzieht. Haben Sie in letzter Zeit einen Familienkrach gehabt?«
»Keinesfalls.«
»Das scheint mir eher ungewöhnlich«, bemerkte Frontinus unaufgefordert. Ich hatte vergessen, dass er, um Konsul zu werden, zuerst einen hohen juristischen Posten innegehabt haben musste; er war es gewöhnt, Aussagen mit schneidenden Bemerkungen zu unterbrechen.
»Balbina Milvia«, sagte ich, »das hier ist Julius Frontinus, der illustre Exkonsul. Ich rate Ihnen ernsthaft, ihn nicht zu belügen.«
Sie blinzelte. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihr Vater ziemlich einflussreiche Mitglieder der Gesellschaft dazu verleitet hatte, mit ihm zu dinieren – zu trinken, schmausen, Geschenke und die Aufmerksamkeit von Tanzmädchen oder Jungen entgegenzunehmen. Was hochkarätige Strippenzieher als Gastfreundschaft bezeichnen, aber von der neidischen Öffentlichkeit als Bestechung betrachtet wird. Ein Konsul war wahrscheinlich etwas Neues für sie.
»Hat es Meinungsverschiedenheiten bei Ihnen zu Hause gegeben?«, wiederholte Frontinus kühl.
»Na ja, vielleicht.«
»Über was?«
Über Petronius Longus, hätte ich gewettet. Flaccida hatte Milvia bestimmt ins Gebet genommen, weil sie mit einem Mitglied der Ermittlungsmannschaft der Vigiles herumgeschmust hatte. Dann hatte Flaccida ihren Spaß daran gehabt, es Florius brühwarm unter die Nase zu reiben. Florius wiederum hatte möglicherweise Flaccida die Schuld an der Untreue ihrer Tochter gegeben, entweder weil er dachte, sie billige es, oder weil er ihr vorwarf, das Mädchen schlecht erzogen zu haben. Es musste hoch hergegangen sein.
Helena lächelte Frontinus an. »Falls Sie das Gefühl haben, Ihnen sei etwas entgangen, sollte ich wohl erklären, dass wir es hier mit einer Hochburg des organisierten Verbrechens zu tun haben.«
»Noch etwas, das von einer Untersuchungskommission profitieren würde«, stichelte ich.
»Eins nach dem anderen, Falco«, sagte der Konsul unbewegt.
Ich sah zu Milvia. »Wenn Sie wirklich glauben, Ihre Mutter sei tot, wirken Sie aber nicht sehr traurig.«
»Ich verberge meinen Gram tapfer.«
»Wie stoisch!« Möglicherweise dachte sie, sie würde noch reicher werden, falls Mama das Zeitliche gesegnet hatte. Möglicherweise war das der Grund, warum sie so begierig darauf war, es genau zu erfahren.
Frontinus klopfte mit dem Finger auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu lenken. »Wenn Ihre Mutter von dem Verbrecher entführt wurde, den wir jagen, werden wir die Angelegenheit mit Nachdruck verfolgen. Aber wenn sie nur zu einer Freundin gezogen ist, weil es Streit gegeben hat, sollten Sie meine Ermittlung nicht mit einer trivialen Beschwerde behindern. Jetzt antworten Sie mir: Hat es einen solchen Streit gegeben?«
»Kann schon sein.« Milvia rutschte unruhig hin und her und sah zu Boden. Ich hatte unartige Schulmädchen sich schon wirkungsvoller winden sehen. Aber Milvia war nie zur Schule gegangen. Verbrecherkinder passen sich nicht gut an, und ihre liebenden Eltern wollen nicht, dass sie schlechte Gewohnheiten annehmen, ganz zu schweigen von moralischen Wertvorstellungen. Milvia hatte ihre Bildung durch eine Reihe von Tutoren erhalten, wahrscheinlich
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