Drei Hände Im Brunnen
Abend untergekommen war. Natürlich war es Marina, die großmäulige, unzuverlässige Mutter meiner Lieblingsnichte.
»O Juno – das ist ja Falco!« Wie konnte jemand so Wunderschönes so abstoßend werden, wenn sie den Mund öffnete? Ganz einfach, zumindest in Marinas Fall. Was vielleicht kein Schaden war. Ausgestattet mit besserer Herkunft und mehr Raffinesse, wäre sie ungeheuer gefährlich gewesen. »Lasst ihn uns um den Tempel jagen und sehen, wer ihm seine Tunika runterreißen kann!«
»Hallo, Marina.« Bereits diese Worte klangen aufgeblasen.
»Hallo, du Lumpenhund. Kannst du mir ein bisschen Geld leihen?«
»Heute nicht.« Leihgaben an Marina mussten als bürgerliche Wohltätigkeit betrachtet werden, wenn auch niemand einem dafür eine Statue errichten würde. »Wo willst du hin?« Zumindest schien sie nüchtern zu sein. Ich fragte mich, wie ich sie loswerden konnte.
»Nach Hause, Süßer. Wohin sonst? Marcia hat es gern, wenn ich ihr ein Schlaflied vorsinge.«
»Nein, hat sie nicht.«
»Das stimmt, sie kann es nicht leiden. Ich muss der kleinen Madam nur ab und zu zeigen, wer hier das Sagen hat.«
Ich verbiss mir die Bemerkung, dass bei der späten Heimkehr ihrer Mutter für die kleine Marcia bald der neue Tag beginnen würde.
Die anderen pensionierten Bortenmacherinnen hüpften um die Freundin meines Bruders herum wie ein Schwarm lebenssprühender, leicht unkoordinierter Vögel. Sie kicherten und flüsterten sich Obszönitäten zu. Sie waren schlimmer als herumziehende Schulmädchen, die gern in ganzen Horden auftauchten und nach Jungs suchten, um sie aufzumischen.
Diese Frauen hatten gelernt, wie sie ihre Macht einsetzen konnten, und nach dieser langen Zeit hatten sie für die Männer nur noch Verachtung übrig. Nicht das kleinste bisschen an Romantik durfte ihre Unverfrorenheit besudeln. Sie wollten mir Angst einjagen. Nur die Götter mochten wissen, was sie tun würden, wenn sie das erreichten.
»Ich hab nach dir gesucht«, sagte ich.
»Oooh!« Marinas Gefährtinnen schnatterten, als wären sie schockiert.
Ich stöhnte.
»Du dreckiger Hund!«
»Beruhige dich, es geht um was Geschäftliches.«
»Oho!« Und schon fing es wieder an.
»Die edelsten Frauen von Rom«, bemerkte ich. »So lobenswert wie Cornelia, die Mutter der Gracchen!«
»Ach, hör doch auf.« Marina besaß nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, selbst dafür, einem Mann das Leben schwer zu machen. »Was willst du, Falco?«
»Ich habe eine Frage. In der Nacht, in der wir uns auf dem Forum getroffen haben …«
»Als dieses seltsame Mädchen den Tempel der Vestalinnen voll gekotzt hat?«
»Ich dachte, sie sei eine Freundin von dir?«
»Hab sie nie zuvor gesehen und danach auch nie wieder. Keine Ahnung, wer sie war. Sie war ein bisschen niedergeschlagen, daher hab ich sie nach Hause gebracht.«
Tja, wenn das so war. Die Bortenmacherinnen waren offenbar eine liebevolle Schwesternschaft.
»Egal, es geht mir nicht um das Mädchen. Wer war der Mann in der Kutsche, der da vorbeifuhr, der Mann, dem du was zugerufen hast?«
»Was für eine Kutsche?«, fragte Marina und schien sich nicht erinnern zu können. Ihre momentanen Freundinnen hatten mit dem Geplänkel aufgehört und scharrten ungeduldig mit den Füßen. Ich langweilte sie, und sie sahen sich bereits nach einem neuen Opfer um. »Ich rufe Männern auf dem Forum nie was zu. Beleidige mich nicht, Marcus Didius.«
Ich beschrieb, wie das Fahrzeug aus der Dunkelheit aufgetaucht war und wie ich etwas gehört hatte, das wie ein zotiger Wortwechsel mit jemandem klang, den Marina zu kennen glaubte.
Marina dachte nach.
Ich blieb ruhig stehen, während sie ihre wirren Gedanken um das kleine Stückchen menschlichen Gewebes kreisen ließ, das ihr als Gehirn diente. Aus Erfahrung wusste ich, dass dieser Denkprozess Zeit erfordern würde. Und ich wusste ebenfalls, dass es sich wahrscheinlich nicht lohnte, aber ich war die Art von dämlichem Profi, der es trotzdem versuchen musste.
»Was meinst du mit Kutsche?«, fragte sie nach.
»So Dinger auf Rädern, mit einem Pferd davor, in dem ein oder mehrere Menschen über lange Entfernungen in großer Unbequemlichkeit zu horrenden Preisen reisen können.«
»Liebe Götter, was du immer für Sprüche drauf hast, Marcus! Ich muss wohl gedacht haben, dass es die sei, die ich manchmal bei uns in der Nähe
Weitere Kostenlose Bücher