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Drei Hände Im Brunnen

Drei Hände Im Brunnen

Titel: Drei Hände Im Brunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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entferntes Organ. Die ersten beiden Relikte waren dunkel vor Verwesung. Diese Hand war schwarz, weil ihre Besitzerin schwarz gewesen war. Sie musste aus Mauretanien oder Afrika stammen. Die feine Haut auf dem Handrücken war schwarz wie Ebenholz, die der Handfläche und der Fingerspitzen viel heller. Die Nagelhaut war manikürt, die Nägel sauber geschnitten.
     
    Die Hand sah jung aus. Die Finger, die alle noch vorhanden waren, mussten genauso schmal und schlank gewesen sein wie die von Helena, die mir gerade so drängend auf den Arm geklopft hatten. Das hier war eine linke Hand. In dem geschwollenen Fleisch des vierten Fingers war ein schlichter goldener Ehering eingebettet.
     
    Julius Frontinus schwieg. Ich war bedrückt.
     
    Helena Justina hatte sich plötzlich vorgebeugt und die abgetrennten Überreste mit ihrer viel blasseren Hand bedeckt, die Finger ausgestreckt und gespreizt, wobei sie die anderen zum Glück nicht ganz berührte. Es war ein unwillkürliches Zeichen der Zärtlichkeit für das tote Mädchen. Helenas Gesichtsausdruck zeigte das gleiche Vertieftsein, das sie hatte, wenn sie diese Geste über unserem schlafenden Kind machte.
     
    Vielleicht hatte ihre Geste etwas in ihr ausgelöst. Ohne ein Wort erhob sich Helena, und wir hörten sie ins andere Zimmer gehen, wo Julia Junilla geborgen in ihrer Wiege lag. Schon nach kurzer Zeit, als hätte sie sich nur von der Unversehrtheit des Babys überzeugt, kam Helena zurück und nahm mit gerunzelter Stirn ihren Platz wieder ein. Ihre Stimmung war düster, aber sie sagte nichts, und Frontinus und ich begannen über die Arbeit zu sprechen.
     
    »Diese hier wurde beim Säubern des Wasserspeichers der Aqua Claudia am Bogen des Dolabella gefunden.« Frontinus’ Verhalten und Ton waren geschäftsmäßig. »Sie kam in einem der Eimer mit hoch, die den Sand nach oben befördern. Der Arbeitstrupp, der sie entdeckte, wurde schlecht überwacht; statt den Fund sofort zu melden, stellten sie ihn öffentlich gegen Geld zur Schau.« Er hörte sich an, als würde er das missbilligen, es den Männern aber nicht vorwerfen.
     
    »Das hat den heutigen Aufruhr ausgelöst?«
     
    »Offenbar. Der Kurator der Aquädukte war im Circus, zum Glück für ihn. Einer seiner Mitarbeiter hatte das Pech, auf der Straße erkannt und zusammengeschlagen worden zu sein. Es entstanden auch Sachschäden. Und natürlich kam es zu einem Aufschrei wegen der mangelhaften Hygienemaßnahmen. Die Panik hat alle möglichen Schwierigkeiten verursacht. Über Nacht ist eine Epidemie ausgebrochen …«
     
    »Kein Wunder«, sagte ich. »In dem Moment, als ich hörte, dass die städtische Wasserversorgung verunreinigt ist, fühlte ich mich auch sofort ganz mies.«
     
    »Hysterie«, bemerkte der Konsul knapp. »Aber wer immer das auch getan hat, er muss jetzt gefunden werden.«
     
    Helena hatte genug gehört. »Wie gedankenlos!« Ihre Stimme war zu sanft. Wir wurden unter Beschuss genommen. »Irgendein dummes Mädchen lässt sich von einem Wahnsinnigen töten und bringt Rom in Aufruhr. Frauen müssen wirklich daran gehindert werden, sich in solche Situationen zu begeben. Juno, wir können doch nicht zulassen, dass Frauen für Fieberepidemien verantwortlich sind, ganz zu schweigen von Sachbeschädigungen …«
     
    »Es ist der Mann, den wir daran hindern müssen, weiterzumorden.« Ich versuchte den Sturm auszureiten. Frontinus warf mir einen hilflosen Blick zu und überließ es mir, mit ihr fertig zu werden. »Ob seine Opfer ihm durch eigenes Verschulden in die Klauen fallen oder er sie hinterrücks in dunklen Gassen überwältigt, niemand behauptet, dass sie es verdient haben, Liebste. Und ich glaube, die Öffentlichkeit hat sich noch gar keine Gedanken darum gemacht, was er diesen Frauen antut, bevor er sie tötet – ganz abgesehen davon, wie er sie hinterher zurichtet.«
     
    Zu meiner Überraschung ließ sich Helena recht schnell besänftigen. Sie war sehr behütet aufgewachsen, aber sie achtete auf die Vorgänge in der Welt und hatte ein lebhaftes Vorstellungsvermögen. »Diese Frauen müssen Schreckliches durchmachen.«
     
    »Ganz zweifellos.«
     
    Ihr Gesicht war wieder voller Mitleid. »Die Besitzerin dieser Hand war warmherzig und jung. Nur vor ein oder zwei Tagen hat sie vielleicht noch genäht oder gewebt. Diese Hand hat ihren Ehemann oder ihre Kinder gestreichelt. Sie hat das Essen zubereitet, ihr Haar gekämmt, den Göttern Weizenküchlein dargebracht …«
     
    »Und sie war eine in

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