Drei Hände Im Brunnen
Heulbaby.«
»Seine Frau wird vermisst. Da ist das doch verständlich«, wies Petronius sie zurecht. Er hätte sich den Atem sparen können. Pia zupfte desinteressiert mit ihren schmuddligen Fingern an ihrem zerzausten Haar herum. »Es hat euch also niemand begleitet, und Asinia hat sich hinterher mit niemandem getroffen? Dann erzähl uns lieber, was passiert ist, als ihr aus dem Circus kamt.«
»Nichts ist passiert.«
»Asinia schon«, sagte ich und übernahm wieder.
»Ihr ist nichts passiert.«
»Sie ist tot, Pia.«
»Nehmen Sie mich doch nicht auf den Arm.«
»Jemand hat sie umgebracht und in Stücke gehackt. Keine Bange, wir werden sie schon nach und nach finden, wenn es auch ein paar Jahre dauern mag.«
Sie war bleich geworden und hatte einen abwesenden Blick bekommen. Offenbar dachte Pia: Das hätte auch ich sein können!
Petronius brachte sie unsanft in die Gegenwart zurück. »Wen hat sie getroffen, Pia?«
»Niemanden.«
»Lüg nicht. Und du brauchst nicht zu befürchten, dass wir es Caius Cicurrus erzählen. Wir können sehr diskret sein, wenn es sein muss. Wir wollen die wahre Geschichte. Wer der Mann auch war, mit dem sich Asinia getroffen hat, er ist ein gefährlicher Mörder. Nur du kannst ihn aufhalten.«
»Asinia war ein gutes Mädchen.« Wir sagten nichts. »Das war sie wirklich«, beharrte Pia. »Sie hat sich mit niemandem getroffen, aber ich. Asinia sagte, sie würde nach Hause gehen.«
»Hierher?«
»Nein. Die Wohnung brauchte ich doch für meinen Kerl, Dummkopf! Sie wollte zu sich nach Hause gehen.«
»Wie wollte sie dort hinkommen?«
»Zu Fuß. Sie sagte, das mache ihr nichts aus.«
»Ich dachte, ihr hättet euch eine Sänfte genommen? Das glaubt Cicurrus zumindest. Du hast ihm erzählt, du hättest Asinia bis nach Hause begleitet.«
»Wir hatten unser ganzes Geld ausgegeben. Außerdem war es schon spät. Der Circus wurde geschlossen. Alle Miettragestühle waren weg.«
»Du hast sie also allein gelassen«, bellte ich. »Dieses gute Mädchen, das schon so lange mit dir befreundet war, obwohl du wusstest, dass die Straßen voll waren mit grölenden Nachtschwärmern und sie fast bis zum Pincius laufen musste?«
»Sie wollte das so«, beharrte das Mädchen. »Das war typisch für Asinia. Für andere tat sie alles. Sie sah, dass ich beschäftigt war, also mochte sie nicht stören.«
»Hat sie dir geholfen, den Kerl anzuquatschen?«, fragte Petro.
»Nein.«
»War sie daran gewöhnt, mit Männern zu reden?«
»Nein. Sie war ein hoffnungsloser Fall.«
»Aber hübsch?«
»O ja! Sie zog die Blicke auf sich. Doch das fiel ihr nie auf.«
»War sie zu vertrauensselig?«
»Sie wusste genug.«
»Offenbar nicht!«, krächzte Petro ärgerlich. Er machte eine angewiderte Handbewegung und überließ die Befragung erneut mir.
»Wer war der Mann, den du kennen gelernt hattest, Pia?«
»Woher soll ich das wissen? Er hätte von überall herstammen können. Ich hab ihn nie zuvor gesehen. Er war betrunken, und er hatte kein Geld. Auf so was fall ich immer wieder rein. Wenn der mir noch mal über den Weg läuft, quetsch ich ihm die Eier ab.«
»Junge Liebe, was? Ich bin ganz heiß auf solche romantischen Geschichten. Würdest du ihn wieder erkennen?«
»Nein.«
»Bestimmt nicht?«
»Ich hatte selbst ganz schön gebechert. Glauben Sie mir, er war keine Erinnerung wert.«
»Wo genau hast du Asinia das letzte Mal gesehen.«
»Beim Circus Maximus.«
»Aber wo da? Welchen Ausgang habt ihr benutzt?«
Pia warf die Schultern zurück und sprach überdeutlich, als wäre ich taub. »Ich habe Asinia das letzte Mal beim Tempel von Sonne und Mond gesehen.« Eine klare Aussage. Doch dann verdarb sie es, hatte es sich anders überlegt. »Stimmt gar nicht – sie ging die Straße der Drei Altäre hinunter.«
Die Straße der Drei Altäre führt vom runden Ende des Circus Maximus, nahe des Tempels von Sol und Luna, den Pia erwähnt hatte, zum Clivus Scaurus. Der Clivus Scaurus verläuft am Tempel des Vergöttlichten Claudius vorbei bis zum alten Bogen des Dolabella, der jetzt als Wasserspeicher für die Aqua Claudia benutzt wurde. Dort hatte man Asinias Hand gefunden.
Ich fragte mich, ob es von Bedeutung war oder nur ein schrecklicher Zufall, dass die vermisste Frau zum letzten Mal so nahe von dem Fundort ihrer abgetrennten Hand gesehen
Weitere Kostenlose Bücher