Drei Hände Im Brunnen
worden war. Wo war sie in der Zwischenzeit gewesen? Es war äußerst unwahrscheinlich, dass wir das je erfahren würden.
Ich warf Pia einen genervten Blick zu. »Asinia machte sich demnach auf den langen Weg nach Hause, und du kamst hierher. Wie viele Leute waren in der Straße der Drei Altäre?«
»Hunderte natürlich. Der Circus war gerade geschlossen worden.«
»Keine Sänften, sagst du? Und andere Fahrzeuge?«
»Nur so Privatkram.«
»Kram?«
»Sie wissen schon, ganze Fuhren voll von diesen Großkotzen in ihren schicken Kutschen. Es war lange nach der Sperrstunde.«
»Wie viele Kutschen?«
»Ach, kaum eine.« Sich zu widersprechen war eine ihrer Spezialitäten. »Das ist das falsche Ende. Die großen Tiere lassen sich lieber bei den Startgattern nahe der kaiserlichen Loge abholen. Sie wissen schon.«
»Leider nicht«, bemerkte Petro. »Das runde Ende vom Circus ist nach der Sperrstunde viel zu gefährlich für uns.«
Pia warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Doch um Petro kleinzukriegen, brauchte es mehr als das verkniffene Gesicht eines schlecht geschminkten Mädchens.
»Hast du Asinia mit jemandem reden sehen?«, fragte ich.
»Nein. So was hätte Asinia nie getan.«
»Hat jemand versucht sie anzusprechen?«
»Das hab ich doch gerade beantwortet!«
»Jemand könnte ihr nachgerufen haben. Was ja nicht heißen muss, dass sie darauf einging.«
»Nein«, sagte Pia.
»Du bist uns keine große Hilfe.« Petro beschloss, es sei an der Zeit, grob mit ihr zu werden. »Was mit ihr passiert ist, könnte genauso gut dir zugestoßen sein. Kann es immer noch.«
»Auf keinen Fall. Ich geh nicht mehr zu den Spielen.«
»Kluger Entschluss. Aber könntest du uns an einem Abend mal dorthin begleiten, wo du dich von Asinia getrennt hast, und schauen, ob du irgendjemanden wieder erkennst?«
»Ich geh da nicht mehr hin.«
»Nicht mal, um uns zu helfen, den Mörder deiner Freundin zu finden?«
»Das nützt ja doch nichts.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich kenn mich aus in der Welt.«
Petronius sah mich an. Wenn wir so pessimistisch wären wie dieses billige Flittchen, würden wir aufgeben. Vielleicht hätten wir nie begonnen. Vielleicht hätten wir das auch nie tun sollen – aber jetzt steckten wir mittendrin. Ohne dass er etwas sagen musste, erriet ich, dass er Pia noch mal von den Vigiles befragen lassen wollte, in der Hoffnung, dass sie sie das Fürchten lehrten. Die Zyklopenstraße, in der sie wohnte, musste sich im Ersten oder Zweiten Bezirk befinden; ich war mir nicht ganz sicher, aber die Grenze verlief nahe der Porta Metrovia am Ende der Straße – das ganze Gebiet gehörte zur Fünften Kohorte. Wenn sie noch nichts davon gehört hatten, dass Petro von Rubella suspendiert worden war, konnte er wahrscheinlich mit einer Bitte um »offizielle« Amtshilfe durchkommen.
Hier gab es für uns nichts mehr zu holen. Das Mädchen war zu verstockt.
Erst als wir gehen wollten, wurde sie weinerlich und ängstlich. »Sie haben das doch nicht ernst gemeint, als Sie sagten, Asinia sei tot?«
Petronius lehnte sich an den Türrahmen, die Daumen in den Gürtel gesteckt. »Leider stimmt es. Willst du uns noch was erzählen?«
»Ich weiß sonst nichts«, sagte Pia trotzig.
Wir gingen hinaus und schlossen die Tür leise hinter uns. Petronius Longus stieg mit festen Schritten die stinkende Treppe hinunter. Dann blieb er kurz stehen. Ich sah ihn an. Er kaute nachdenklich auf seinem Daumen.
»Die dämliche Kuh lügt«, sagte er.
XXXII
Vor Pias Mietskaserne trennten wir uns. Wie ich erwartet hatte, wollte er mit der Fünften Kohorte sprechen. Ihr Wachlokal lag direkt am Ende dieser Straße – und auch nicht weit entfernt vom Wasserspeicher am Dolabellabogen. Ich schlug vor, er solle sie bitten, abends nach Beendigung der Spiele besonders wachsam zu sein, falls unser wahnsinniger Mörder die Wasserzufuhr direkt unter ihrer Nase verunreinigte.
»Schon gut, du brauchst mir meine Reden nicht zu schreiben.«
»Nur ein paar rhetorische Punkte, Partner.«
»Du bist lästig.« Wieder sah er nachdenklich aus. Dann sagte er, sogar noch trotziger: »Pia lügt, Falco, oder ich bin der Koloss von Rhodos.«
»Du bist einfach nur ein kolossaler Holzkopf«, meinte ich grinsend, und da wir fast schon beim Wachlokal der Fünften waren, verließ ich ihn, damit er den Mythos
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