Drei Hände Im Brunnen
seit Menschengedenken einem umherirrenden Mädchen angeboten, es mitzunehmen. Eine Frau konnte im Rinnstein ihr Kind zur Welt bringen, und die Vestalinnen würden sie hochmütig ignorieren. Da sie kein Geld hatte, war Asinia, nachdem sie Pia in jener verhängnisvollen Nacht verlassen hatte, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zu Fuß gegangen. Das hier war keine Gegend für eine einsame Frau. Ich stellte mir vor, wie es gewesen sein musste. Ein dunkelhäutiges Mädchen, sehr hübsch, aber sich dessen gar nicht bewusst, etwas nervös vielleicht, zieht sich scheu die Stola fester um die Schultern und hält den Blick zu Boden gesenkt. Selbst wenn sie schnell gegangen war, hätte man ihr die Verletzlichkeit sofort angesehen. Der schnelle Gang mochte sogar Aufmerksamkeit erregt haben. Vielleicht hatte ihr Verfolger bereits ein Auge auf Pia geworfen gehabt, aber es war ihm jemand zuvorgekommen. Als dann Asinia sittsam allein losgegangen war, um so vieles ansehnlicher als die Freundin, die sie so übereilt im Stich gelassen hatte, hatte er sein Glück gar nicht fassen können.
Ringsherum um die Arena widmeten sich die Nutten an diesem Abend mit Gusto ihrem Geschäft. Die Bordsteinschwalben warfen mir bösartige Blicke zu, aber nachdem sie kapiert hatten, dass ich nichts von ihnen wollte, ließen sie mich in Ruhe. Sie hatten zu viel zu tun. Diese langen heißen Nächte bedeuteten, dass man unter dem Schatten des Circus gute Denarii scheffeln konnte. Mich anzupöbeln wäre eine schlechte Reklame für sie – und, wichtiger noch, eine Verschwendung kostbarer Verdienstzeit.
Mir fiel bei den anderen jungen und auch bei den nicht mehr ganz so jungen Frauen auf, dass viele bedrohlicher wirkten als die Horden junger Männer. Eine Reihe wankender, fluchender Maiden mit bleiweiß gefärbten Augenlidern, die ihre gelben Schirmchen schwenkten und auf Rabatz aus waren, beängstigte sogar mich. Bei ihrem Herannahen würde jeder sexuell Unzulängliche, der Frauen schwierig fand, hinter die nächste Säule springen und sich in die Hosen machen.
Ich sah niemanden, auf den diese Beschreibung zutraf. Aber hier unten in der Straße der Drei Altäre wurde mir ganz klar, dass sich so jemand von einer Gegend wie dieser angezogen fühlen musste. Ich konnte mir vorstellen, wie er verhöhnt und beleidigt wurde. Und ich konnte verstehen, dass sein brütender Geist wütende Rachepläne schmiedete.
XXXIII
Petronius und ich hatten geplant, jeden Abend der restlichen Ludi Romani vor dem Circus Maximus zu verbringen. Gut möglich, dass der Mörder die ganze Zeit in unserer Nähe war. Er hätte uns im Vorübergehen streifen können, und wir hätten nicht gewusst, dass er es war.
Wir mussten mehr herausfinden. Uns stand zu wenig Information zur Verfügung. Allmählich sah es so aus, dass wir nur durch den Mord an einer weiteren Frau neue Hinweise aufdecken konnten. Selbstverständlich wünschten wir das niemandem. Es blieb unausgesprochen, aber Petro und ich wollten, dass Asinia sein letztes Opfer blieb.
Am Tag nachdem wir unsere Überwachung begonnen hatten, lagen die jungen Camilli alle mit den Nachwirkungen eines zu kurz gebratenen Hähnchens darnieder. Da sie nicht in den Circus gehen konnten, schickten sie einen Sklaven, um Helena und mir die Karten anzubieten. Irgendwie gelang es ihr noch auf den letzten Drücker, den jungen Gaius zu überreden, ein paar Stunden auf das Baby aufzupassen. Es war eine willkommene Gelegenheit, allein etwas zu unternehmen. Nun ja, allein in einer Menge von einer viertel Million lärmender Mitbürger.
Helena Justina war nicht der Welt größter Fan von Wagenrennen. Ich war glücklich, weil sich die Blauen an dem Tag hervorragend schlugen. Während ich auf meinem Sitz herumrutschte, die Fahrer wegen ihrer Unfähigkeit anbrüllte oder vor Begeisterung über ihren Erfolg schrie und dabei in spannenden Momenten zu viele Feigen in mich hineinstopfte, saß Helena geduldig daneben und ließ ihre Gedanken schweifen. Als ich jubelnd auf die Füße sprang, hielt sie das Kissen fest, damit es parat lag, wenn ich auf die Bank zurückplumpste. Nettes Mädchen. Man konnte sie überallhin mitnehmen. Sie wusste, wie sie einen spüren lassen konnte, dass nur ein Idiot sich für so was zu begeistern vermochte, aber sie beschwerte sich nicht offen.
Während ich mich entspannte, machte sie sich daran, den Fall für mich zu lösen. Helena begriff, dass wir nach jemandem suchten, über den wir
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