Drei Maenner fuers Leben
er das erste Mal die Frau sieht, die er immer lieben wird. Der Moment, in dem ihm sein neugeborenes Kind in den Arm gelegt wird. Und die unzähligen Momente dieses Kinderlebens, das das eigene mit Freude und Sorgen erfüllt, mit Lachen und Tränen.
Es gab bereits so viele solcher Momente in meinem Leben, dass ich sie kaum zählen kann, dennoch habe ich sie alle sorgfältig in meinem Gedächtnis aufbewahrt.
Kürzlich ist wieder so ein Moment hinzugekommen. Ich durfte an einem wunderschönen Spätsommertag in dem Garten meines Heims, das ich mir und meiner Anna erbaut habe, mit ansehen, wie das Mädel, das ich liebe wie mein eigen Fleisch und Blut, meinem Enkel die Hand reichte, um die Seine zu werden.
Um die Unsere zu werden.
Und nachdem die Gelübde gesprochen waren und der erste Kuss zwischen Ehemann und Ehefrau ausgetauscht war, kam sie direkt auf mich zu und flüsterte mir ins Ohr: »Danke, Mr. MacG.«, so nennt sie mich nämlich gern, »danke, dass du mich für ihn ausgesucht hast.«
Na, was sagt ihr dazu? Ist das nicht ein feines Mädel?
Nicht, dass ich diesen Dank erwartet hätte. Es ist einfach nur ein gutes Gefühl, von Zeit zu Zeit zu hören, dass das, was man tut, auch gewürdigt wird.
Was wird dieses Paar für Söhne und Töchter bekommen? Oh nein, es gibt keinen Grund zur Eile, obwohl Anna sich natürlich schon wieder Sorgen macht, dass sie sich ein bisschen zu viel Zeit lassen könnten.
Na schön, wir haben unser Möglichstes getan, um sie auf den richtigen Weg zu bringen.
Jetzt schaue ich von meinem Fenster aus zu, wie die letzten Blüten von Annas Rosen sich an ihre Stiele klammern, um nicht vom Herbstwind davongeweht zu werden. Doch die Zeit vergeht, auch wenn man sich noch sosehr wünscht, sie anhalten zu können.
Deshalb sollte man sie tunlichst nicht vergeuden, oder? Ich habe noch mehr Enkel, die ein bisschen Lenkung, einen unauffälligen Schubs in die richtige Richtung brauchen. Obwohl Anna und ich nicht viel darüber sprechen, habe ich kürzlich so nebenbei bemerkt, dass Ian sich langsam Gedanken um seine Zukunft machen sollte.
Der Junge ist jetzt Anwalt. Es kommt mir so vor, als sei er erst gestern im Wohnzimmer herumgekrabbelt und hätte versucht, die gute Kristallvase seiner Granny in die Finger zu bekommen. Unser Ian hatte schon immer ein Auge fürs Schöne.
Nun, ich habe bereits eine Schöne für ihn gefunden. Eine, von der ich glaube, dass sie zu seiner sanften Art und seinem weichen Herzen passt. Der Bursche wünscht sich eine Familie, so viel ist sicher. Hat er sich nicht erst kürzlich ein Haus gekauft? Wofür braucht ein Mann ein Haus, wenn er es nicht mit einer Familie füllen möchte?
Es ist nichts dagegen zu sagen, dass er erst einmal mit Möbeln und Krimskrams und Dingen, die ein Mann gern um sich hat, anfängt. Aber nur eine Familie macht ein Haus erst zu einem richtigen Heim.
War das bei mir denn nicht auch so?
Das Mindeste, was ich für ein geliebtes Enkelkind tun kann, ist, es in die richtige Richtung zu lenken.
Und wer etwas anderes behauptet, soll sich zum Teufel scheren.
TEIL DREI
IAN
20. K APITEL
Manchmal hat der Tag einfach nicht genug Stunden, dachte Ian.
Er hasste es, in Eile zu sein, gleichgültig ob bei der Arbeit, in der Freizeit oder sonstwo. Aber in letzter Zeit schien er sich nur abzuhetzen. Und jetzt musste er sich auch noch im Feierabendverkehr einen Weg durch den Verkehrsdschungel von Boston bahnen.
Noch ein kurzer Zwischenstopp, und dann war er endlich zu Hause. In seinem neuen Heim. Der Gedanke an das schöne alte Haus, das versteckt hinter mächtigen Ahornbäumen lag, zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und ließ ihn eine unfreundliche Hupe überhören.
Seit zwei Monaten konnte er sich jetzt schon an seinem Erwerb erfreuen, und er suchte sämtliche Antiquitäten- und Haushaltsgeschäfte der Stadt ab, um jeden Raum ganz genau nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Und jedes Mal, wenn er seine Haustür aufschloss und die elegante Eingangshalle mit den tiefgrünen Wänden und dem goldgelben, spiegelblanken Parkettfußboden betrat, war er entzückt, dass seine Tage in College-Schlafsälen und beengten Apartments endgültig vorüber waren.
Obwohl er gern Leute um sich hatte. Er kam einfach aus einer zu großen Familie, um das Durcheinander und den Unterhaltungswert, der sich aus dem Aufeinanderprallen gegensätzlicher Persönlichkeiten ergab, nicht zu schätzen zu wissen.
Aber er wollte sein eigenes Reich. Er brauchte sein eigenes Reich.
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