Drei Schwerter für Salassar (Gesamtausgabe): Die Saga der Adamanten-Welt (German Edition)
machte.
Katzenmädchen folgten ihm durch die Baumstraßen, und die wilden Wolfsmänner mit dem zottigen Fell umkreisten den Gott aller Diebe. Aber nichts hielt Mano auf oder sperrte seinen Weg. Auch nicht jene Wesen, vor denen sich die Menschen in ihrem Herzen fürchten und von denen sie schauerliche Mären zu erzählen wissen.
Mano sah eine Herde Siebenhörner, jene schwarzen Vettern der schneeweißen Einhörner. Doch sie haben sieben kurze, nadelspitze Hörner auf der Stirn. Ihre Augen sind gelb und ihre Nüstern blutigrot. Wenn sie zornig sind, vermögen sie Rauch und Feuer zu speien, und ihre auskeilenden Hufe sind scharf wie geschliffene Dolche.
Mano sah auf einem der Felsen einen Greif hocken, und das mächtige Wesen mit dem Leib eines Löwen und dem Schädel eines Adlers breitete die ledrigen Flügel aus, ohne auf den Gott der Diebe herab zustoßen.
Harpyen kreisten über ihm, und ihre krächzenden Verwünschungen in einer unverständlichen Sprache ließen Manos Herz eisig werden. Denn die Harpyen sind die Leichenbestatter des Wunderwaldes, und Mano spürte in seinem Inneren, dass diese grässlichen geflügelten Wesen nur darauf warteten, dass sein Herz vor Entkräftung stillstand.
Auch sah Mano eine der grauenvollen Erscheinungen der Empusen. Das sind bizarre Wesen mit dem Schädel und dem Leib einer alten Frau, die jedoch nur ein Bein hat, das dem Bein eines Pferdes gleicht. Mit ihren spinnendürren Fingern irre Kreise in der Luft zeichnend, führte die Empuse einen schauerlichen Tanz auf, und ihr höhnisch-meckerndes Lachen zerriss die sonst majestätische Stille von Delyssiolina.
Schließlich lichtete sich der Wald. Durch Bäume und Buschwerk blickte Mano auf eine grüne Wiese, auf der Blumen in allen Farben blühten. In der Mitte dieser Wiese ragte ein einzelner Baum so hoch hinauf, als wollten die Spitzen seiner oberen Äste an die Wolken reichen. Mano bremste seinen Lauf und atmete tief durch.
Er hatte das Ziel erreicht. Dieser Baum, der wie ein König inmitten des Waldes stand, musste der Gereonbaum sein. Die anderen Gereonbäume, so hatte Mano erfahren, standen im ganzen Wald kreisförmig um ihn herum - wie Paladine um den Thron eines Herrschers. Doch waren sie nach den Maßstäben der Menschen und Götter sehr weit entfernt. Und nur die Bäume wissen, dass Entfernungen nichts bedeuten.
Der gigantische Stamm des Gereonbaumes war so dick, dass ihn sicher zehn wohl gewachsene Männer mit ihren Armen nicht hätten umspannen können. Seine Borke war rissig und mit dem Moos der Jahrhunderte bewachsen. Die ersten Äste begannen in ungefähr fünf Menschenlängen Höhe, und sie waren so dick wie die Säulen im Palast des Sarans von Mohairedsch.
Als Mano den Baum genau ansah, erkannte er, dass dieser Baum zeitlos war. Nicht nur, dass er bereits die Spanne überdauert hatte, die Dhasor dieser Welt bisher gab - er erkannte auch alle Jahreszeiten in diesem Baum auf einmal. Hier waren Blätter in keimenden Knospen des Frühlings, im saftigen, satten Grün des Sommers, im Rotgold des beginnenden Herbstes und im sterbenden Graubraun des Winters. Mano wusste, dass die Blätter eines Gereonbaumes ein vorzügliches Heilmittel gegen Wunden und Krankheiten sind - wenn es der Baum gestattet, dass man sich einige Blätter pflückt.
Doch das interessierte den Gott der Diebe in diesem Moment nicht. Ein Blick hinaus zu Solmanis hellem Licht zeigte ihm, dass er gerade zur rechten Zeit gekommen war. Denn in diesem Augenblick erreichte die rotgoldene Himmelsscheibe ihren höchsten Stand. Gleißendes Licht fiel hinab auf die blühende Wiese und küsste die vorderen Wurzeln des Gereonbaumes.
Und da erkannte Mano die nachtschwarze Öffnung zwischen den Wurzeln. Er zügelte seinen Wunsch nach einem triumphierenden Schrei, der seinen wahren Willen verraten konnte. Nun musste er sich beeilen, bevor der Eingang zur Höhle der Traumweberinnen seinem Blick wieder entschwand.
Entschlossen lief Mano über die Wiese. Es gelang ihm gerade noch, den Baum zu erreichen, als die Sonne weiterzog und der Eingang zur Höhle verblasste. Ohne zu zögern, betrat Mano die unheimliche Welt unter den Wurzeln des Gereonbaumes.
Blaugrauer Dämmerschein im Inneren der Höhle zwang Mano, einen Augenblick anzuhalten, damit sich seine menschlichen Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Wieder musste er sich zwingen, nicht sein göttliches Wesen voran zusenden. Denn dann war seine Mission in Gefahr.
Noch niemals war einer der Götter zum Ur-Grund
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