Drei Unzen Agonie
im
Inneren meiner Einsamkeit bewußt bin. Ich weiß, daß andere für mich nichts
weiter übrighaben als entweder Verachtung oder Spott. Wenn ich es hin und
wieder wagte, in Maxine Lord nicht nur die Chefin, sondern auch die Frau zu
sehen, war sie für mich stets die schönste und begehrenswerteste Frau, die mir
je begegnet war.«
»Warum hören Sie nicht auf,
sich zu foltern, und kommen endlich zur Sache ?« fragte
ich kühl.
»Das gehört zur Sache .« Er rieb sich die Nasenspitze mit dem Zeigefinger. »Zu
meiner ungeheuren Verwunderung lud sie mich eines Abends plötzlich zu sich nach
Hause zum Abendessen ein. Meine Verwunderung stieg noch, als ich feststellte,
daß ich der einzige Gast war. Wir speisten bei Kerzenlicht, und die Art und
Weise, wie sie auf mich einging und sich mir gegenüber verhielt, ließ mich
glauben, ich hätte plötzlich mein Talent als Herzensbrecher entdeckt. Ich
trinke normalerweise keinen Alkohol, doch während des Essens schien mein Glas
stets gefüllt zu sein. Ich habe also wahrscheinlich ziemlich viel getrunken.
Sie erklärte mir, sie hätte meine Arbeit schon immer bewundert, mein Genie bei
der Zusammenstellung der neuen Mischung, und sie wünschte, wir könnten Freunde
werden. Sie brauche dringend einen guten Freund, einen Mann, dem sie vertrauen
und zu dem sie aufsehen könne. Ich glaubte natürlich jedes Wort .«
»Und später erfuhren Sie alle
Herrlichkeit auf Erden in ihrer Umarmung«, meinte ich ironisch. »Ein paar Tage
später wurden Sie dann grausam aus Ihrer Traumwelt gerissen, als sie Ihnen
klarmachte, worum es ging. Entweder taten Sie, was sie von Ihnen verlangte,
oder aber der schöne Traum war aus und vorbei. Das haben Sie mir alles schon
erzählt. Kommen Sie endlich zur Sache. Was wollte sie ?«
»Sie sagte, ihr Bruder wäre
schwach, labil, unentschlossen und gemein. Es würde sich für alle Betroffenen,
mich eingeschlossen, tragisch auswirken, wenn er tatsächlich die Leitung der
Firma übernähme. Irgendwie müsse das verhindert werden. Ich fragte sie, wie sie
das bewerkstelligen wollte. Sie wich zunächst aus, bat mich nur, ihn
aufzufordern, für eine Weile bei mir im Labor zu arbeiten. Ich sollte sein
Vertrauen gewinnen und ihn glauben machen, ich wäre sein Freund. Das schien mir
nicht unzumutbar. Sie hatte ja nicht verlangt, daß ich ihm irgendwie schadete.
Ich stimmte also zu. Jonathan arbeitete daraufhin bei mir im Labor, und ich tat
mein Bestes, mich mit ihm auf gutem Fuß zu stellen. Ich muß sagen, daß es mir
nicht ganz gelang, doch das war nicht meine Schuld. Ich habe mir gewiß alle
Mühe gegeben. Nach einigen Wochen schlug Maxine dann ganz nebenbei vor, ich
sollte ihn in die Geheimnisse der neuen Parfümformel einweihen und ihn bei den
Experimenten helfen lassen. In den folgenden Wochen war also Jonathan stets an
meiner Seite. Er erschien allerdings höchstens zwei Tage pro Woche im Labor .«
»Und dann?«
»Dann verlangte sie ganz
unbefangen und ohne mit der Wimper zu zucken, ich sollte die Formel ändern,
bevor wir das Parfüm auf den Markt brachten. Sie würde in der Fabrik Anweisung
geben, eine große Quantität herzustellen. Ich sollte dann im kritischen Moment
krank werden, Jonathan anweisen, die Formel an die Fabrik weiterzugeben und die
Herstellung zu überwachen. Danach hätte sich natürlich herausgestellt, daß die
Mischung völlig unbrauchbar war. Sie wollte mich überreden, später auszusagen,
daß Jonathan die Formel mit Absicht verändert hätte. Sie erklärte, mit meiner
Unterstützung könne sie die Testamentsvollstrecker davon überzeugen, daß
Jonathan gemäß den im Testament enthaltenen Klauseln keine Berechtigung
besitze, die Leitung der Firma zu übernehmen. Sie würde dann Geschäftsführerin
bleiben, ich würde weiterhin meine Tätigkeit als Chefchemiker — bei erhöhtem
Gehalt, wohlverstanden — ausüben und außerdem ihre Gunst genießen .«
»Und Sie lehnten ab ?«
»Natürlich.« Aus tränenden
Augen blickte er mich ernsthaft an. »Ich will gern zugeben, daß ich versucht
war, auf ihren Vorschlag einzugehen, aber ich brachte es einfach nicht über
mich. Ich hatte festgestellt, daß ihr Bruder tatsächlich ihrer Beschreibung
entsprach: Er ist schwach, unentschlossen und kann ausgesprochen bösartig
werden, wenn er auch diesen Charakterzug meist sehr geschickt kaschiert. Doch
das gab mir noch lange nicht die Berechtigung, mich an einer Verschwörung zu
beteiligen, die darauf abzielte, ihn um seine rechtmäßige
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