Drei Wunder (German Edition)
dem Sofa herum, die Beine über die Armlehnen hängend, und Farley hatte sich in einem Schlafsack neben dem Kamin zusammengerollt.
Olivia wollte schon aufgeben, als ihr draußen eine dunkle Gestalt auffiel. Zuerst dachte sie, es könnte Soren sein, der die Treppe zum Steg hinunterging. Wartete er auf sie? Sie machte ein paar Schritte zur Tür hin und sah im letzten Aufflackern des Feuers eine lange Mähne dunkles Haar.
Calla.
Wenn Farley nicht direkt neben Olivias Füßen geschnarcht hätte, hätte sie vielleicht angenommen, Calla schlich sich mit ihm irgendwohin. Doch er lag hier.
Olivia zog die Glastür auf und ging leise in die Dunkelheit hinaus. Vorsichtig stieg sie die Treppenstufen hinunter, die Holzplanken knarrten unter ihren nackten Füßen. Calla blickte sich um, und Olivia konnte im Mondlicht sehen, dass ihr Gesicht tränenverschmiert war.
»Oh«, sagte Calla leise, und ein erleichtertes Lächeln leuchtete in ihrem Gesicht auf. »Du bist es.«
Olivia setzte sich neben sie. Callas Füße baumelten im dunklen Wasser und machten kleine runde Wellen um ihre schlanken Knöchel. »Alles okay mit dir?«
Calla schniefte und zuckte mit den Schultern, hob das Kinn, um zum Horizont hinauszustarren. Der Mond war voll, und der Himmel darum herum war mit blassem Grau durchsetzt. Es war genau die Art von Stille, die Olivia vermisst hatte. Es roch sogar ähnlich wie damals auf Martha’s Vineyard.
»Es sah so aus, als hättest du mit Farley ziemlich Spaß gehabt«, meinte Olivia.
»Hatte ich aber nicht«, sagte Calla und schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Ich habe es versucht. Er ist ein echt netter Kerl. Aber …« Sie brach ab.
»Aber was?«, fragte Olivia vorsichtig nach, als Calla ihre feuchten Wangen mit dem Handrücken abwischte. Selbst wenn Calla weinte, sah sie hübsch aus, und aus irgendeinem Grund erinnerte Olivia das an ihren Vater. Sie hatte ihn nur einmal in ihrem Leben weinen sehen, und zwar bei Violets Beerdigung. Sie war erstaunt gewesen, wie ruhig und würdevoll er dabei ausgesehen hatte. Die meisten Leute wurden total fleckig oder verzogen den Mund, wenn sie versuchten, sich zu beherrschen, doch nicht ihr Dad. Er hatte genau wie immer ausgesehen, stark und schön, mit stillen Tränen, die sanft über seine Wangen rollten.
Genauso war es bei Calla.
»Es ist nicht fair, Farley gegenüber«, sagte Calla jetzt und zog ihre Füße durch das kalte Wasser. »Ich weiß, es ist dumm von mir, aber ich vergleiche ihn ständig mit Soren.«
Olivias Magen verkrampfte sich, und ihr wurde klar, wie sehr sie gehofft hatte, Calla würde etwas anderes sagen. Sie holte tief Luft und drehte sich zum Wasser.
»Und es war ja nicht, als sei Soren perfekt gewesen«, sagte Calla mit einem kleinen Lachen. »Er war einfach nur … da. Und jetzt ist er es nicht mehr. Es fällt mir schwer, mich daran zu gewöhnen.«
Olivia nickte und merkte, wie ein Kloß sich in ihrer Kehle bildete. »Ich weiß«, sagte sie leise. »Es muss schwer für dich gewesen sein, ihn heute Abend zu sehen.«
Calla zuckte wieder mit den Schultern und schlang die Arme um sich.
»Ja«, sagte sie. »Wir haben hier viel Zeit miteinander verbracht. Letztes Jahr bei der gleichen Party ging es irgendwie offiziell mit uns los, und während des Sommers waren wir praktisch jedes Wochenende hier.«
Olivia schloss die Augen und versuchte, sich nicht Calla und Soren vorzustellen, wie sie Hand in Hand am Strand spazieren gingen oder nachts zusammen unter dem Vollmond im Meer schwammen.
»Im August hatte ich ein paar echt schlimme Wochen, als meine Eltern sich ständig stritten«, sagte Calla und verzog das Gesicht bei der Erinnerung. »Mein Dad war fast einen Monat nicht zu Hause gewesen. Er war beruflich immer viel unterwegs, aber diesmal war es anders, das merkte ich. Und Soren saß dann einfach mit mir hier draußen und hörte mir zu, ohne dass er mir irgendeinen Rat gab oder so. Das war toll, verstehst du? Er ließ mich einfach weinen. Es war genau das, was ich brauchte.«
Olivia nickte, und der Kloß in ihrer Kehle wurde immer größer.
»Er ist gut in so etwas«, sagte Calla. »Das vermisse ich, glaube ich, am meisten.«
Olivia versuchte alles, was sie konnte, um die Tränen zurückzuhalten, doch sie liefen bereits ihre Wangen runter. Sie hatte keine Ahnung, woher sie kamen, aber als das Weinen einmal angefangen hatte, konnte sie es nicht mehr abstellen. Calla musste sie schniefen gehört haben, denn sie drehte sich um und
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