Drei Wunder zum Glück (German Edition)
warf die Hände in die Luft. »Was meinst du damit – ›du weißt nicht, wer du bist‹? Aber natürlich weißt du das. Du bist Jaime. Du bist der stärkste Mensch, den ich kenne. Du kannst alles machen, was du willst.«
Jaime sah Hazel mit traurigen Augen an. »Genau das ist es ja«, sagte sie leise. »Ich kann alles machen, was ich will, und ich war noch nie woanders als auf dieser Insel. Ich habe noch nicht einmal in einem Flugzeug gesessen. Ich bin noch nicht so weit, Hazel. Du weißt doch selbst, dass ich noch nicht so weit bin.«
Jaime runzelte die Stirn, während sie den Faden immer enger um ihren Finger zog. Es sah aus, als müsste es langsam weh tun. »Reid hatte recht«, flüsterte sie, so leise, dass Hazel es vielleicht gar nicht gehört hätte, wenn sie nicht Jaime ins Gesicht gesehen und die Bewegung ihrer Lippen wahrgenommen hätte. »Wir sind beide viel zu jung. Ich muss auch daran denken, was das Beste für mich ist, für meine Zukunft.«
Jaime holte tief Luft und sah Hazel in die Augen. »Ich werde das Stipendium für Peru annehmen«, sagte sie.
»Peru?«, wiederholte Hazel ungläubig. Sie hatte langsam das Gefühl, sich in einem furchtbaren Albtraum zu befinden. Sie kniff die Augen zusammen und riss sie dann wieder auf, nur um sicher zu sein. »Du willst dein Baby weggeben, damit du nach Peru kannst?«, fragte sie. »Um irgendwelche Knochen auszubuddeln oder Haifischzähne oder so was?«
Jaimes Finger wechselte die Farbe von Rot nach Weiß, schließlich ließ sie den Faden los und starrte auf die Abdrücke in ihrem Finger.
»Es ist ja nicht nur Peru«, antwortete Jaime, und ihre Stimme wurde fester. Sie sah zurück zu Hazel. »Es ist einfach alles. Ich möchte mein Leben zurück. Ich möchte nicht, dass dies das letzte Mal ist, dass ich tun kann, was ich möchte, ohne mir noch um jemand anderen Sorgen machen zu müssen. Ich möchte das Leben kennenlernen. Ich möchte normal sein. Warum ist das für dich so schwer zu verstehen? Warum ist es dir so wichtig, was ich tue? Das ist mein Leben, über das wir reden. Nicht deines!«
Hazel hatte das Gefühl, als sei sie ins Gesicht geschlagen worden, und sie sah zurück auf den Boden. Langsam stand sie auf und ging zur Tür, doch dann drehte sie sich um und zeigte mit einem Finger auf Jaime.
»Du hast ja keine Ahnung, was du da sagst«, zischte sie. »Ich verstehe nicht? Ich verstehe es ganz genau. Verstehst du denn, was für ein Leben dein Baby haben wird, nachdem du es weggegeben hast? Hast du eine Ahnung, wie es ist, ohne Eltern aufzuwachsen? Niemals zu wissen, wer du bist oder woher du kommst? Ganz auf dich allein gestellt zu sein?«
Das Zimmer fühlte sich auf einmal völlig anders an als das, in dem sie die letzten vier Monate gelebt hatte. Es fühlte sich an wie eine Zelle.
»Du hattest immer diese Insel, deine Großmutter und Rosanna. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie es sein kann«, sagte sie. »Aber ich kann es. Ich habe gelogen, als ich sagte, meine Eltern wären auf Reisen. Ich habe gar keine Eltern. Ich wuchs in Pflegefamilien auf. Ich bin öfter umgezogen, als ich mich erinnern kann. Ist es das, was du für dein Baby möchtest?«
Sie starrte auf Jaime hinab, die ihre Knie umarmte und an die Wand starrte. »Ja, ist es das?«, fragte Hazel. »Ist es das, was mit deinem Baby geschehen soll, wenn du es weggibst? Während du die Welt kennenlernst? Während du dein Leben lebst und normal bist?«
Hazel wurde jetzt laut, aber das war ihr egal. Sie wartete darauf, dass Jaime etwas sagte, irgendetwas. Es zurücknahm, weinte, blinzelte.
Doch Jaime rührte sich nicht. Auf einmal kam es Hazel vor, als rückten die Wände immer näher und näher und quetschten sie ein. Sie tastete nach dem Türgriff und rannte hinaus auf den Flur, stolperte über ihre eigenen Füße, während sie raus in die Nacht lief.
26
Das Meer war wütend und laut, genau wie Hazel es brauchte. Die Sonne war untergegangen, und dicke Mückenschwärme umkreisten ihren Kopf, während sie die Holztreppe zum Strand hinunterlief. In der Mitte hielt sie an und wechselte auf einen großen Felsblock hinüber. Dort ließ sie ihre Schluchzer vom Rauschen der Brandung ersticken.
Am liebsten wollte sie hineinspringen, sich von den Wellen davontragen lassen. Sie wollte sich von den unablässigen Gedanken freiwaschen. Es war einfach alles zu viel. Zuerst hatte sie die Sache mit Luke verdorben, und nun hatte Jaime beschlossen, das Baby wegzugeben. Sie hatte beschlossen,
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