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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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schon auf Hermeneau gehört habe.
    Ich lese davon, dass »die Völker, in deren Mitte die Juden lebten«, sie beschuldigten, das ungesäuerte Brot zum Pessachfest mit dem Blut von Christenkindern zu backen. So auch in der alten Stadt Prag. Hier war es dann, dass man die Leichen von Christenkindern, statt sie zu beerdigen, heimlich in der Nacht in die Gassen der Judenstadt brachte, um »Beweise« für die Anschuldigung zu haben. (Mir sträubt sich das Haar.)
    Aber Rabbi Löw, so lese ich weiter, in Prag sann auf Abhilfe und bat den Himmel, wie er denen, die diese falschen Anklagen verbreiteten, beikommen könne. »Da ward ihm in nächtlichem Gesicht ein Bescheid: Mache ein Menschenbild aus Ton und du wirst der Böswilligen Absicht zerstören.«
    Ich lese weiter, wie die Gestalt aus Ton gebildet wird, und stelle mir Isabelle vor, die schmale Frau, wie sie, auf dem Hochplateau in den Pyrenäen kniend, die Hände voller Ton ... Es schnürt mir die Kehle zu.
    Und dann: »Der Rabbi sprach zu dem Menschen aus Ton: ›Wisse, dass du aus dem Staub der Erde geschaffen bist, damit du das Volk der Juden vor dem Bösen behütest, das es von seinen Feinden erleidet.‹ Und nachts streifte der Golem nun durch die Straßen Prags, wachsam, um alle aufzuhalten, die etwa ein totes Kind bei sich trugen, um es in die Gassen der Judenstadt zu bringen.«
    An der Stelle muss ich aufhören. Ich fürchte mich entsetzlich und weiß nicht einmal, wovor am meisten – vor den alten Geschichten, die ich hier lese, vor dem Unheimlichen, was Isabelle tunwird, oder vor dem, was ich selbst unlängst hier erlebt habe, weiß und blutig vor einer Bäckerei. Ich kann einfach nicht weiterlesen.
    Aber dann, bevor ich das Buch ganz aus der Hand lege, blättere ich doch noch ein paar Seiten weiter und lese die Worte des Rabbi Löw: »Ich behaupte aber, der Golem wird Anteil am ewigen Leben haben, da er unser Volk aus so schwerer Bedrängnis errettet hat. Er wird die Luft vom Garten Eden atmen jede Stunde, er wird stark sein und behutsam, gehorsam und fest, freundlich zu jedermann, der des Schutzes bedürftig, und die Gabe der Sprache wird ihm, der bisher stumm war, der Allmächtige dann verleihen.«
    Die Luft vom Garten Eden. Die Gabe der Sprache ... Zwischen Wachen und Schlaf ist mir, als würden diese Worte gesprochen von einer weichen und metallischen Stimme. Schlomos Stimme.
    Am nächsten Tag lege ich das Buch in mein Regal, hinter die anderen Bücher – und habe dann so viel zu tun, dass ich auch in meinem Kopf diese Geschichten gleichsam ganz hinten hinter dem anderen verstecke.
     
    Es geht nun richtig los mit dem Stück.
    Während auf der kleinen Bühne des Hotels Oberländer unter Anleitung des Prinzipals gehämmert, gesägt, geleimt und genagelt wird, sitzen Leonie und Schlomo (selbstverständlich bei offener Tür, wegen der Schicklichkeit!) in einer der kleinen Garderoben, und der junge Mann liest seiner künftigen Partnerin den »Bar Kochba« vor – ein Einmanntheater. Und Leonie, immer wieder mit einer Gänsehaut auf den Armen und an den Tränen der Erschütterung würgend, begreift einmal mehr, dass er dies Stück nicht bloß ausgesucht hat, um die Rolle mit der grandiosen Sterbeszene zu spielen. Nein, da gab es noch einen Grund mehr. Denn vor allem handelt es vom einstigen Freiheitskampf der Juden in Palästina gegen das gewaltige römische Imperium. (Auch Isabelle hat davon erzählt, erinnert sie sich.) Bar Kochba, der »Sternensohn«, ist der Anführer der Rebellion, der große Einiger des Volkes, das sich vor Zeiten klagend und jammernd mit der Unterdrückung abgefunden hat. Dina, seine Geliebte, gerät als Geisel in die Gefangenschaftdes römischen Statthalters Rufus, und als die Juden gegen das von den Römern besetzte Jerusalem anstürmen, wird sie auf die Stadtmauer gestellt, um Bar Kochba vom Kampf abzuhalten. Aber das zarte Mädchen feuert ihn im Gegenteil an und gibt sich selbst den Tod, indem es sich von der Mauer stürzt. Dennoch ist alles umsonst. Die Römer sind mächtiger. Der »Sternensohn« fällt im letzten Gefecht.
    Das ist die Geschichte eines außergewöhnlichen Mannes, ein Stück voll großer Gefühle und mit geradlinigen Charakteren, klar gut oder böse. Ein einfaches Muster. Manchmal muss Leonie lächeln über das Naive des Textes, aber dann reißt es sie ganz und gar mit, wenn Schlomo mit flammenden Augen deklamiert: »Die Lage meiner Brüder liegt mir am Herzen. Nicht ansehen kann ich ihre großen Schmerzen, nicht

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