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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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will sie küssen, aber sie ist noch nicht versöhnt, macht sich von ihm los.
    »Was heißt eigentlich Duschenju?«, fragt sie ärgerlich, und er antwortet mit seelenvollem Blick: »Mein Leben auf Jiddisch.«
    »Und was ist das mit diesem Jiddisch?«, fragt sie. »Manches versteh ich, manches nichts. So ein Gemisch von wer weiß was!«
    Er wedelt mit dem Textbuch. »Es ist eine richtige Sprache!«, erklärt er. »So wie man in Deutschland geredet hat zu der Zeit, als die Juden da nicht mehr bleiben durften und vertrieben wurden und nach Polen und Russland ausgewandert sind. Deutsch wie im Mittelalter.Das hat sich erhalten. Und dann sind ein paar Worte aus dem Hebräischen dazugekommen und ein paar aus den Ländern, wo man nun lebte.« Er zuckt die Achseln. »So entstehen Sprachen, nicht wahr? Im Hochdeutschen gibt es ja auch ganz viele Worte aus anderen Ländern.«
    Leonie geht durch die Reihen der bizarren und fantastischen Kostüme zurück. Er ist dicht hinter ihr. »Ist das nicht ausgesprochen dumm, die Gelegenheit nicht zu nutzen, wo Tate-Mame, also, ich meine die Eltern, uns doch gerade nicht sehen können?«, schnurrt er.
    »Na«, sagt sie über die Schulter, »wenn du mir das ganze Stück vorliest, dann werden wir ja wohl ... Gelegenheit genug haben.«
    »Was denn, bei der Arbeit?!«, kommt es ungläubig. Offenbar ist es für ihn undenkbar, dass man Liebe und Arbeit vermischen kann.
    Sie bleibt abrupt stehen, sodass er gegen sie rennt und sogleich die Chance wahrnimmt, sie von hinten zu umfassen und ihren Nacken zu küssen.
    »Wo bleibt ihr denn?« Das ist Madames misstrauische Stimme. »Hier sind wir, hier hinten, bei den Textbüchern!«, ruft er. »Und
    was die Rolle angeht, da haben wir eine Lösung gefunden.« Er grinst in Leonies Richtung.
     
    Ich hatte es nicht gewusst – dass man Jiddisch mit hebräischen Buchstaben schreibt, wo es sich doch so sehr nach Deutsch anhörte ...
    »Aber du hast doch die Reklamen und die Inschriften an den Häusern in der ›fi nsteren Medine‹ gesehen!«, sagt Schlomo kopfschüttelnd über so viel Ahnungslosigkeit. »Was hast du denn gedacht, was da steht?«
    »Ich dachte, es ist was Hebräisches«, erwidere ich, und eigentlich bin ich noch immer ärgerlich darüber, dass er mich so hereingelegt hat. Aber der Ärger ist nur so etwas wie eine Schutzhülle. Denn eigentlich fühle ich mich beschämt, dass ich so gar nichts weiß über diese Wurzeln.
    »Schreibt man das Ladino auch mit hebräischen Buchstaben?«,
    frage ich, und meine bisher vergebliche Suche für Isabelle zwickt mich, wie wenn man nachts aufwacht und es fällt einem ein, dass man seine Hausaufgaben vergessen hat.
    »Nicht dass ich wüsste«, erwidert er.
    »Dein Vater und du – sprecht ihr manchmal noch Ladino?«
    Er schüttelt den Kopf. »Wir verstehen’s mit Müh und Not. Mama ist ja, wie du unschwer hören konntest, eine waschechte Ostjüdin aus Galizien, und unser Publikum will Jiddisch hören.« Er lächelt.
    Wir streifen noch immer im Kostümfundus herum, und Schlomo kann es nicht lassen, sich hier einen seidenen Burnus überzustreifen, da ein Tuch malerisch um den Kopf zu schlingen oder einen Feldherrenmantel mit großer Geste über die Schulter zu schlagen und dann jedes Mal passend zu posieren.
    Das Elternpaar rumpelt inzwischen bei den Kulissen herum und gibt Anweisungen an die inzwischen eingetroffenen Bühnenarbeiter, dies und jenes herauszutragen und aufzuladen, um es ins Hotel Oberländer hinüberzubringen. Offenbar ist man fündig geworden für die Szene. Wir hier noch nicht.
    Ich versuche zu Anfang, nach Stilepochen zu fahnden, aber das ist die Arbeit des Sisyphus, denn es hängt der Frack neben dem Kaftan, der Kreuzrittermantel neben der Krinoline.
    »Denk an Tates Worte: Such nach was Römischem!«, rät mir Schlomo. »Römisch und antik jüdisch.« (Als wenn ich mir unter antik jüdisch mehr vorstellen könnte als unter einem Textbuch in hebräischer Schrift.) Er selbst spielt immer noch herum, zieht einen verschlissenen Flitterumhang hervor oder legt sich eine mottenzerfressene rosa Federboa um den Hals (»Das hatte Mutter mal als ›Böse Frau‹ um, schau einmal!«).
    »Schlomo, wir suchen etwas Bestimmtes!«, mahne ich ihn.
    »Ja doch, ja!« Er schenkt mir ein Schlomo-Laskarow-Lächeln der Extraklasse und wirbelt das Ende der Boa kokett mit der Hand herum. »Ich bin verrückt nach Verkleidungen, von klein auf. Kaum dass ich an den Schlüssel heranreichte, fing ich an, mich mit den

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