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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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finden.«
    »So viel Zeit, bis du etwas gefunden hast, haben wir leider nicht«, sagt er, ich merke, dass er die Geduld verliert.
    »Hältst du mich auf einmal für unbegabt?«
    »Nein!«, sagt er, nur noch mühsam beherrscht. »Aber du musst nicht denken, dass du schon alles kannst. Halt bitte die Probe nicht auf.«
    Aha, ich halte die Probe auf? Das bringt das Fass zum Überlaufen. Auf einmal schreie ich: »Ich muss es mir doch zu eigen machen!
    So geht es nicht! Sucht euch jemand anderen, wenn euch nicht passt, wie ich es versuchen will!«
    Dann fange ich an zu heulen, was sofort den Rest des Ensembles auf den Plan ruft; man lungert mehr oder weniger sichtbar an der Seitenbühne herum und macht einen langen Hals, und der Prinzipal schreitet auf uns beide zu und sagt beruhigend: »Nu, nu, nu! Was soll denn sein?«
    Ich kann nicht antworten, wüsste auch gar nicht, was. Stattdessen sagt mein bisher so fürsorglicher Partner ironisch: »Sie hat die Krise.« Die Krise ! Als hätte er nur darauf gewartet!
    »So geht das nicht!«, wiederhole ich schluchzend. »Ich bin kein Papagei, der bloß nachplappert, was er mir vorsagt! Ich brauche Freiraum für die Figur!«
    Der alte Herr legt beruhigend den Arm um mich. »Probenschluss für Leonie! Wir arbeiten heute nur die Volksszenen mit Bar Kochba. Geh nach Haus, Mädchen, schlaf dich aus.«
    Probenschluss? Ausschlafen, gute Idee!
    »Ist die Frage, ob ich überhaupt wiederkommen soll!«, fauche ich.
    Dazu sagt keiner was.
    »Wahrscheinlich habe ich ja keinen Funken Talent!« Und unter Tränen: »Und einen Vertrag gibt es ja wohl auch nicht für die Rolle!«
    (Als ob das nun wichtig wäre im Moment.)
     
    Es ist später September, aber vom Wechsel der Jahreszeit bekommen wir nichts mit. Nur immer Theater, Theater, Theater! Das da draußen war fast ausgesperrt.
    Als ich auf die Straße trete, knöpfe ich meinen Übergangsmantel zu und schlage den Kragen hoch, denn diese Jahreszeit verwöhnt uns nicht gerade mit gutem Wetter. Es beginnt zu dämmern, und es ist kalt und stürmisch. Und ich habe wahrscheinlich eben mein erstes Engagement hingeschmissen.
    Wenn das mit mir nichts wird ... Was wird dann aus der Premiere?
    Meine Güte, es gibt doch bestimmt ganz routinierte Aktricen bei den anderen jüdischen Theatern, die zur Not aushelfen und so eine Rolle übernehmen können, ganz im Sinne des Darstellers des Bar Kochba, süß und sanft, sozusagen ohne Knochen! Dann kann er seinen Sternensohn spielen, denke ich bockig. Und da merke ich, dass mir schon wieder die Tränen kommen. Ich gehe gegen den Wind an, so schnell ich nur kann, zur U-Bahn und nach Neukölln. –
    So früh habe ich schon lange nicht den Schlüssel ins Schloss unserer Haustür gesteckt wie heute Abend. Meistens bin ich erst gegen Mitternacht heimgekommen. Dann war schon absolute Ruhe bei uns.
    Langsam steige ich die Treppen zum dritten Stock hoch. Auf dem Absatz bleibe ich stehen.
    Auf einmal überfällt mich die Traurigkeit, als hätte sie hier im Treppenhaus auf mich gelauert. Was habe ich bloß gemacht? Das war meine Chance und ich habe sie nun wohl vertan. Soll ich jetzt vielleicht eine Statistenrolle annehmen, um mit Schlomo Laskarow auf der gleichen Bühne stehen zu können, oder mich lieber gleich darauf beschränken, ihm das Glas Wasser zu bringen, das er nach seinen Auftritten als Heldensohn braucht? Ich fühle mich sterbenselend.
    Wenn man jetzt jemanden hätte, der einen einfach in den Arm nimmt und sagt: »Hast du Kummer, meine Kleine? Ich bin bei dir!«
    Was wird wohl nun aus Schlomo und mir? Ist das auch vorbei, jetzt, wenn ich nicht mehr seine Dina bin? Diese Trennung von Arbeit und ... Liebe – ob das funktioniert?

24
    Leonie öffnet die Wohnungstür. Schon im Flur schlägt ihr Zigarettengeruch entgegen.
    Der Vater raucht nicht! In seinem Beruf ist das unmöglich, sagt er, es tötet die Geschmacksnerven ab.
    Sie wirft einen Blick in die Küche. Leer. Schmutziges Geschirr in der Spüle und der Duft eines Essens, so würzig, dass der Tabakgestank ihn nicht zu übertünchen vermag.
    Stimmengewirr aus dem Wohnzimmer. Besuch? Sie haben seit dem Tod der Mutter keinen Besuch mehr gehabt.
    Ihr ist merkwürdig zumute. Sie muss sich einen Ruck geben, um die Wohnzimmertür zu öffnen.
    Vor lauter blauem Dunst erkennt sie zunächst kaum etwas. Dann ortet sie um den runden Tisch herum ihren Vater und drei Männer, die sie nicht kennt. Alle ungefähr in Harald Laskers Alter, also werden es wohl ehemalige

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