Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
Männer am Tisch herausfordernd.
Und diese drei begucken sie, ein junges Mädchen, das da vor ihnen steht. Blicke, die über ihren Körper wandern.
Sie hält den Blicken stand, strafft sich, nimmt die Schultern herunter und reckt das Kinn vor. Unnahbar. Die Hände auf den Rücken, schaut sie unter halb gesenkten Lidern zurück. Aber diese Männer scheinen sich nicht auf Körpersprache zu verstehen.
»Na, meine Süße«, sagt der Blonde mit dem Bärtchen und zwinkert vertraulich, »willste nicht doch ein Schlückchen trinken. Ich hab noch was im Glas. Brüderschaft, was?«
Er starrt ihr auf die Brust. Sie antwortet nicht.
»Themawechsel!«, schnarrt der mit dem Monokel jetzt und sieht den Blonden strafend an. Er macht eine Kopfbewegung zur Tür, aus der der Vater gleich wieder auftauchen muss.
»Biste stolz auf deinen Herrn Papa?«, springt der Stiernackige in die Bresche. »Ein aufrechter Deutscher, wie er im Buche steht!«
Leonie streift ihn mit einem verächtlichen Blick. »Ich bin eigentlich deswegen stolz auf meinen Vater, weil er ein sehr guter Koch ist«, sagt sie, ohne ihre Beherrschung zu verlieren, obwohl die Kerle sie anwidern. »Um Deutscher zu sein, brauchte er ja nur geboren zu werden.«
Schweigen. Die Männer sind wohl schon zu angetrunken, um schnell zu reagieren. Dann sagt der mit der Uniform lehrerhaft: »Der Kamerad hat aber was anderes gemeint. Er hat gesagt: ein aufrechter Deutscher. Ein Mann mit einer Gesinnung , Fräulein! Einer, der bereit ist, für sein Land zu kämpfen!« Es klingt jovial.
Darauf geht Leonie nicht ein.
»Kämpfen – das hat er schon getan«, erwidert sie und sieht ihn mit blitzenden Augen an. »Vier Jahre, von 1914 bis 1918. Aber der Krieg ist fünf Jahre vorbei. Wen soll er jetzt wieder bekämpfen?«
»Zum Beispiel das Weltjudentum!« Der Stiernackige schlägt mit der Faust auf den Tisch.
Leonie kneift die Augen schmal. Dann sagt sie leise und scharf: »Damit ist er sehr erfolgreich. Vor allem in seinen eigenen vier Wänden.«
Der Stiernackige glotzt sie an.
»Leonie!«
Sie fährt herum. Harald Lasker steht mit der frischen Schnapsflasche in der Hand da. Seine dunklen Augen flackern vor Zorn – oder ist es Angst?
Sie dreht den Kopf zu den Männern. Keiner der drei hat sie wirklich verstanden in ihrem Rausch. Und sie hegen ja auch keinen Verdacht. Sie mustert diese Kerle voller Zorn. Was haben die aus ihrem Vater gemacht!
»Ah, Kamerad Lasker, endlich der Nachschub!«, sagt der Blonde, erhebt sich und holt die neue Flasche. Sie entkorken sie, gießen ein, stoßen an. Die nächsten Zigarren werden angezündet.
Leonie und ihr Vater stehen in der geöffneten Tür zur Küche. »Papa, bleib hier!«, sagt Leonie halblaut. »Das kann nur Unglück bringen, was du da vorhast. Mit diesen Leuten!«
Er sieht an ihr vorbei, zu den Trinkenden am Tisch.
»Papa, bitte!«
»Lass mich, Leonie!« Er wendet sich ab. »Es ist besser, du gehst jetzt schlafen.«
Er geht an ihr vorbei, hinüber zum Tisch und setzt sich zu den anderen.
Sie ist noch immer an der Tür. Ihr Blick fällt auf den verhüllten Vogelkäfi g. Der steht mitten in den neuen Rauchschwaden, die durchs Zimmer ziehen.
»Gute Nacht!«, sagt sie frostig. »Den Vogel nehme ich mit. Das Tier erstickt sonst hier.«
»Setz dich doch zu uns, Kleene!« Das ist der Stiernackige. Von dem Hin und Her zwischen Vater und Tochter haben die drei in ihrer Schnapsseligkeit nichts mitbekommen. »Wir könnten ja mal was singen mit dem Fräuleinchen gemeinsam, was Kameraden?«
»Nein, danke, ich gehe schlafen. Das habe ich doch schon gesagt.«
»Na, ein Lied wenigstens werden Sie doch kennen, Fräulein Leonie!«, bemerkt der mit der Uniform leutselig.
Leonie sieht ihren Vater an. »Wie wär’s hiermit?« Und laut summt sie die Melodie des Liedes, das in den Pyrenäen auf dem Hochplateauaus dem Trichter des Grammofons ertönte, das Schlomo in der Küche gesungen hat und das sie vom Vater lernte.
Harald Lasker scheint nach Luft zu ringen.
»Kennen wir nicht! Was soll denn das sein?«, fragt der Blonde...
»Leonie, geh jetzt«, sagt der Vater heftig. »Du verlässt sofort das Zimmer!«
»Das hatte ich ohnehin vor.«
Sie geht am Tisch, an den Männern vorbei, packt das Vogelbauer mit beiden Händen und trägt es hinaus, über den Flur, in ihr kleines Kämmerchen. Sie zieht das Tuch ab.
Der Sittich hatte den Kopf unterm Flügel versteckt. Jetzt blinzelt er, knispert mit dem Schnabel, kratzt sich hinterm Ohr.
»Süße
Weitere Kostenlose Bücher