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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Leonie!«, plappert er. Leonie beißt sich auf die Lippen. Ihr ist nach Heulen zumute.
    Sie geht zu Bett, zieht die Decke über den Kopf, um den Lärm aus dem Wohnzimmer nicht zu hören. Jetzt singen sie wirklich. »Lieb Vaterland, magst ruhig sein ...«
    Ob der Vater mitsingt? Sie kann nicht schlafen.
    Später geht ihre Tür (abschließen kann man diesen Raum nicht, ist ja nur die ehemalige Speisekammer). Sie weiß, es ist ihr Vater, der da neben ihrem Bett steht, aber sie hält die Augen fest geschlossen. Was er ihr jetzt auch sagen will – sie mag es nicht hören.
     
    Ja, jetzt weiß ich, wie die Dina zu spielen ist. So wie ich vorhin war. So ist es richtig. Nicht das sanfte hingebungsvolle Geschöpf, wie Schlomo es von mir verlangt. Gut, vielleicht ganz zu Anfang. Aber generell: mit geraden Schultern und ungebeugtem Nacken. Keine gesenkten Augen, sondern den Blick klar und herausfordernd. Und spä ter dann, wenn sie gefangen ist und wenn die Römerinnen, Serafi na, die Frau des Statthalters allen voran, sie als ihre Geisel verspotten: nicht zusammengekrümmt in der Ecke, sondern mit erhobenem Kopf und verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln. Unnahbar. Stolz.
    Eine neue, eine andere Dina. Eine, die vielleicht ein paar dieserZuschauer erschrecken würde, weil sie nicht so ganz dem Frauenbild entspricht, das sie gern sehen. Eher eine kriegerische Judith als eine demütige Ruth, wie sie sie aus den Geschichten der Bibel kennen.
    Wenn ich denn noch spielen würde.
     
    Trüb ist der nächste Morgen, und nach dem gestrigen Gelage rührt sich noch nichts im Schlafzimmer.
    Nur aus dem Haus. Nur den Vater nicht sehen.
    Am Haken im Flur, der für die Mäntel bestimmt ist, hängen merkwürdigerweise ein paar von den roten Armbinden, wie sie der Uniformierte trug: schwarzes Kreuz mit Haken auf weißem Grund.
    Leonie weiß selbst nicht, warum, aber sie nimmt eins von diesen Dingern und trägt es in ihre Kammer, versteckt es hinter ihren Büchern. Dann verlässt sie eilig die Wohnung.
    Draußen treibt der Wind die ersten welken Blätter vor sich her.
    Sie eilt vorbei an der Bäckerei von Schmelzler (mit Brettern vernageltes Schaufenster, an der Tür ein Schild: »Wegen Krankheit geschlossen.«) Gar nicht hingucken. –
    Als sie zur gewohnten Zeit ins Hotel Oberländer kommt, als würde sie wie sonst zur Probe erscheinen, empfan gen sie die zittrigen Klänge des arg verstimmten Saalklaviers nebst Gesang.
    Aha, die Vorbereitungen für den »Bunten Abend« sind angelaufen. Der »Bar Kochba« abgesetzt, heißt das. Erledigt, die Sache. Jetzt muss sie ihre Haltung bewahren.
    Fräulein Guttentag und Herr Laskarow junior schwingen im Gleichtakt die Beine und intonieren zweistimmig das schöne Lied: »Halt dich fest, dass du die Balance nicht verlierst!«, stellt Leonie fest, während sie schattengleich über die Seitenbühne huscht. Ein passender Schlager für ihre Situation in diesem Theater.
    Madame Selde Laskarow sieht erstaunt auf, als Leonie sie schließlich in einem der vollgekramten Nebenzimmer, die bald Garderobe sein werden, aufstöbert.
    »Puppchen, was machst du denn jetzt hier?«
    »Wieso?«, fragt sie beklommen zurück. »Haben Sie mich denn ... ganz und gar rausgeschmissen?« Ihr wird heiß und kalt.
    »Rausgeschmissen?«, wiederholt die Hausherrin verständnislos und sieht sie an mit den Augen, die sie ihrem Sohn vererbt hat. »Der Ewige soll abwenden! Ich dachte bloß, während der ganzen Bühnenproben hast du jetzt gar keine richtige Zeit mehr für meinen Kram!«
    »Wieso ... Bühnenproben?«, gibt Leonie verständnislos zurück und schält sich aus dem Mantel. »Da vorn probt man für den Bunten Abend ... Ich bin draußen.«
    »Na, davon würde ich ja auch was wissen!« Die Laskarow schiebt Papiere – Rechnungen, wie’s aussieht – von einer Ecke des Tischs zur anderen und bewegt mit der rechten Hand fix die Kugeln einer altmodischen Rechenmaschine, eines sogenannten Abakus; ein undurchschaubares Hin und Her von Addition und Subtraktion, aus dem Leonie nicht schlau wird.
    Eine Weile sagt gar keine etwas.
    Dann fährt Madame fort, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen: »Wie ich das begriffen habe, wird der Bunte Abend extra eingeschoben, damit du noch zwei Wochen länger hast zum Probieren. Die machen da heute nur noch so eine Verständigung, die Nummern stehen ja.« Sie seufzt. »Schlomo hat darauf bestanden, dass du die Dina gibst. Ob das das Richtige ist, das weiß der Himmel.« Sie seufzt noch einmal und wirft

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