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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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normalerweise ihre mitgebrachten Brote auswickeln und die Bierfl aschen »köpfen«! Pech fürs Publikum, aber ein Gewinn für das Spiel. Wahrscheinlich eine weise Entscheidung. Das Tempo darf nicht abfallen.
    Von nun an geht es in Kostüm und Maske weiter, und sie spielen das Stück so, als säßen die Leute schon unten.
    »Bar Kochba« ist ein aufwendiges Stück. Volksszenen! Kampfszenen! Die kleine Bühne des Hotels Oberländer ist manchmal so vollgestopft, dass man sich fast auf die Zehen tritt. Mendel Laskarow ist auf die kluge Lösung verfallen, gleichsam eine zweite Etage bauen zu lassen, eine Art Empore schräg an der Seite, die sowohl den Palast der Römer als auch die Mauern Jerusalems und den Turm der Festung des »Sternensohns« abgibt.
    Wütender Protest des Heldendarstellers, der sein berühmtes Rampenspiel, sein Kokettieren mit dem Publikum, in Gefahr sieht! Er kann doch dem Saal nicht den Rücken zudrehen, wenn er mit dem Römer auf der Empore redet! Also das geht nicht! Erst als Regisseur und Leonie ihm nachweisen können, dass er wirklich nur an zwei Stellen »beiseite« sprechen muss, ist er einigermaßen besänftigt.
    Dann ist da die Sache mit den Fahnen. Bei der aufrührerischen großen Rede Bar Kochbas an das Volk wird er von zwei Bannerträgern begleitet; aus dem Magazin schleppen sie zwei lappige Seidenstücke mit Fantasieemblemen herbei, ein Löwe und ein Greif.
    »Herr Laskarow!« Leonie zieht den vielbeschäftigten Prinzipal aus einer Diskussion mit Bühnenarbeitern am Ärmel heraus. »Darf ich einen Vorschlag machen?«
    »Die ganze Zeit machst du nichts anderes!«, knurrt der Regisseur, halb genervt, halb amüsiert. »Kleiner Finger, ganze Hand, oder wie oder was?«
    Sie lässt sich nicht abschrecken.
    »Bar Kochba heißt doch ›Sternensohn‹! Warum geben wir ihm nicht auch Sternenfahnen?«
    »Was meinst du, Mädchen?«
    »Fahnen mit dem Davidstern. Dem Stern der Juden. Das ist doch das Symbol bis heute ...«
    Mendel Laskarow sieht sie einen Moment starr an. Dann sagt er langsam: »Und warum, in aller Welt, sind wir da nicht selbst draufgekommen?«
    Als die neuen Fahnen auf der Bühne sind, hat sie einen weiteren Einfall. Aber dann fragt sie sich, ob das nicht doch zu gewagt ist ...
    Und nach den Proben, nach all dem hektischen Durcheinander, ist am Abend Vorstellung, Bunter Abend, und der unverwüstliche Darsteller des Bar Kochba schwingt die Beine und wirbelt mit Fräulein Guttentag über die Bühne: »Halt dich fest, dass du die Balance nicht verlierst!« Er ist nicht kleinzukriegen.
    Sie, Leonie, ist so müde, dass ihr fast die Augen zufallen.
    Allerdings, wenn sie dann abends am Theaterplakat draußen am Hotel Oberländer vorbeigeht und sieht, wie gut sich das ausmacht: »Dina, Bar Kochbas Verlobte = Frl. L. Lamedé«, dann ist sie schon ein bisschen stolz.
    Theater, Theater.
    Und dann, die letzten drei Nächte vor der Premiere, ist Liebesverbot angesagt. »Weißt du das nicht? Nechtens wach bleiben, legt sich nebbich auf de Stimm!«
    So einfach ist das.

31
    »Da sitzen Menschen drin, die waren noch nie beim Jiddischen Theater! Fast die Hälfte passt hier gar nicht her!«
    Schlomo steht, das Auge an dem berühmten Loch im Vorhang, und späht in den noch erleuchteten Zuschauerraum. Er trägt ein Stirnband und einen weißen gegürteten Leinenkaftan (ich habe ihn überreden können, den purpurroten, mit Goldborte verzierten Feldherrenmantel, der wie durch ein Wunder der Zerstörung entgangen ist, wirklich erst in der Szene anzulegen, in der er als Feldherr auftritt – wegen der Steigerung!) und er ist dezenter geschminkt, als das bei Laskarows Künstler-Theater sonst üblich ist. Nicht auszureden allerdings waren ihm die Absatzschuhe. Ein Held, der kleiner ist als seine Partnerin – unausdenkbar!
    (»Hättest du aufhören müssen mit wachsen, als du zehn Zentimeter kleiner warst, Duschenju!«)
    Er dreht sich zu mir herum, kreist nervös mit den Schultern, macht seine üblichen Fisimatenten vor dem Auftritt, schüttelt die Finger aus, lässt die Zunge hinter den Lippen herumgehen, trippelt wie ein Läufer vorm Start. Er ist aufgeregter als sonst. »Viel mehr Goien als gedacht! Wie soll ich spielen vor asoi e Publikum?«
    »Wie immer«, sage ich und kann mir gar nicht selbst ein richtiges Lampenfi eber leisten, weil ich immerzu beruhigend auf ihn einreden muss. »Wie immer wirst du der krummnasige schwertschwingende Judenbengel sein, der seine Sätze ins Publikum heult – hieß es

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