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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Armbinden ist dies Kreuz wie auf der Bühne.«
    »Ich verstehe nicht«, fragt Mendel Laskarow irritiert. »Was wollen die denn?«
    »Madame sagt, die hätten den Rest Karten aufgekauft. Und den Jungen, der die Billetts kontrolliert und die Plätze zeigt, den hätten sie einfach beiseitegeschoben und gesagt, sie finden schon Platz!«
    Der Prinzipal geht zum Vorhang und schaut in den Zuschauerraum.
    Das sieht nicht gut aus da draußen.
    Wildes Stimmengewirr.
    Selde Laskarow hat ihre Kasse geschlossen, sie steht im Mittelgangdes Parketts und versucht zu klären und zu vermitteln. Die Männer in den braunen Uniformen haben ungeniert die ersten Reihen mit Beschlag belegt, ohne Rücksicht auf die Besucher, die mit den Karten für diese Plätze in der Hand aufgeregt gestikulieren und ihr Recht einfordern. Die Bitten der Chefi n, doch auf den Sitzen Platz zu nehmen, für die sie auch die Tickets gekauft haben, werden von den Uniformierten einfach ignoriert. Madame Laskarow ist Luft für sie. So versucht sie nun, die von ihren Plätzen Vertriebenen zu beschwichtigen und ihnen in den hinteren Reihen Raum zu verschaffen.
    »Ihr seht doch, Leit, die Herren megen nit hörn. Wir wellen kein Zores!«
    Mendel Laskarow hat genug gesehen. Er ruft seine Komödianten zusammen. »Heute wird es hart. Da sind welche drin, die wollen machen kaputt unsere Aufführung. Lasst euch nicht provozieren, behaltet die Nerven, spielt, als wären die nicht da! Massel und Broche.«
    Sie kann nicht an sich halten, muss zu dem Loch im Vorhang. Leonie hat einen Eisklumpen im Magen. Der Gedanke, dass ihr Vater vielleicht da unten sitzen könnte ...
    Sie versucht, im ungewissen Licht des Zuschauerraums auszumachen, was da in den ersten Reihen sitzt. Braune Uniformen und Armbinden. Harald Lasker ist nicht dabei.
    Eine Hand legt sich auf ihre Schulter. Sie dreht sich um: Mendel Laskarow. »Na, Puppchen, da missen wir durch.«
    Als Nächster ist Schlomo bei ihr. »Duschenju, denk dran, was ich dir gesagt hab: für wen wir spielen.«
    Sie hebt fragend die Schultern.
    Er sagt sanft und eindringlich: »Wir spielen für die dicke Frau. Sie sitzt bestimmt auch heute in der letzten Reihe und hat eine Woche gespart, um herzukommen.«
    Dann die Kommandos des Prinzipals, wie immer: »Bühne frei zum ersten Akt. Alle auf ihre Positionen! Saal dunkel! Licht! Vorhang auf.«
    Und nun geht es los. –
    Sie quälen sich unter Gejohl, Geschrei, unfl ätigen Zwischenrufen und Gelächter durch die ersten Bilder. Jedes Mal wenn auf der Bühne das Wort »Jude« fällt, rülpst jemand da unten oder ruft: »Hepp, hepp!«
    Aber es wird noch schlimmer werden, fürchtet Leonie. Natürlich sind die Kerle da unten vorbereitet auf das, was noch kommt im Stück, sie warten ab. Bisher »üben« sie sich ja nur in verbalen Attacken. Über gewisse Strecken sind sie sogar ruhig, sei es, weil es langweilig ist, ständig Krawall zu machen, ohne dass jemand darauf reagiert, sei es, dass sie Schlomos intensives Spiel gegen ihren Willen in den Bann schlägt. (Das Scheunenviertel-Publikum und auch die Zuschauer, die sonst noch gekommen sind, verhalten sich ruhig.)
    Leonie zittert bei ihrem Auftritt wie Espenlaub; sie wird mit Pfi ffen und obszönen Bemerkungen empfangen. Aber als sie mit fester Stimme zu sprechen beginnt, wird es ruhiger, und sie kommt leidlich durch. Während der Liebesszene zwischen ihr und Schlomo dann ist es ganz still. Sind sie vielleicht wirklich von dem, was da oben passiert, gefangen? Schlomo sieht ihr tief in die Augen, lächelt. »Wir schaffen es!«, fl üstert er, ohne die Lippen zu bewe - gen.
    Aber er weiß genauso gut wie sie, dass die auf etwas Bestimmtes aus sind: die Szene zwischen dem römischen Statthalter und Bar Kochba.
    In der kurzen Umbaupause (da unten singen sie währenddessen irgendein zackiges Lied) geht sie zum Prinzipal. Schwer atmend und schweißüberströmt hockt Mendel Laskarow auf dem Stuhl der Souffl euse an der Seitenbühne und starrt vor sich hin. Seine Frau ist bei ihm, gibt ihm zu trinken, tupft ihm die Stirn und pudert ihn nach.
    »Was willst du, Puppchen?«, fragt er matt.
    »Herr Laskarow«, sagt sie zaghaft. »Wollen wir für heute nicht dieses Hakenkreuz weglassen?«
    Er mustert sie. »Aber du hast es angebracht! Und jetzt willst du kneifen?«
    »Vielleicht wenn wir uns ein bisschen zurückhalten ...«
    »Mendel, hör auf sie!«, sagt Selde. »Das ist eine gute Idee! Vielleicht kommen wir durch bis Schluss!«
    Der Chef der Truppe sieht von

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