Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
einen befi ndet sich nur Fleisch. Im anderen nur Milch, Butter und Käse. Sicher wieder irgend so ein Brauch. (Wobei mir einfällt, dass mein Vater es auch ablehnt, Sahne an Fleischgerichte zu tun. »Das verfälscht den Geschmack«, sagt er immer.) Und dann der große Herd mit seinen Kochstellen, mit Holz oder Kohle zu befeuern. Mir rutscht das Herz in die Kniekehlen. So etwas habe ich noch nie gemacht. Zu Haus kochen wir auf Gas. Zum Glück gibt es daneben noch einen kleineren Herd, der an eine Propangasfl asche angeschlossen ist.
Ich atme auf. Trotzdem: Habe ich mir nicht zu viel vorgenommen? Ein bisschen beklommen ist mir schon zumute. Aber mehr als schiefgehen kann es ja schließlich nicht.
Was sagt mein Vater immer. »Das Wichtigste ist das Mise en place, wie es in der feinen Küche heißt.« Was bedeutet, dass alle benötigten Zutaten und Geräte zu Beginn am richtigen Fleck bereitzustehen haben.
Jetzt kann ich mal zeigen, was ich kann. Und außerdem ist das eine Gelegenheit, dies ganze verworrene Zeug, mit dem man mich hier füttert, für eine Weile zurückzudrängen. Es bringt mich auf andere Gedanken. Beim Kochen muss man sich konzentrieren.
Los geht’s.
Ich schuppe die Fische und nehme sie aus (das Messer ist scharf wie eine Rasierklinge), wasche sie gründlich und trockne sie mit ei nem der Leintücher, die vom Bord hängen, und salze mit grobem Meersalz. Vom Kräuterregal nehme ich Rosmarin und mische ihn mit gehacktem Knoblauch und dem duftenden Olivenöl, das in einem großen Steinkrug bereitsteht.
Dann lege ich Butterbrotpapier aus, öle es und lege jeweils einen Fisch auf ein Stück Papier. Darüber kommen hauchdünn geschnittene Zitrone, Fenchelsamen, ein Händchen Petersilie.
Während der Arbeit werde ich immer zuversichtlicher. Es wird gelingen.
Und als ich das Papier mit dem Fisch zu Päckchen forme und diese nebeneinander in die große feuerfeste Form lege, summe ich wie mein Vater beim Kochen. Summe das heitere Lied. Und lasse fast die Form fallen, die ich gerade in den Ofen stellen will, denn von der Tür her kommt Antwort. Isabelle steht dort und summt mit, singt dann den Text.
In der Hitze des Gefechts habe ich überhaupt nicht bemerkt, dass sie hinter mir in der Tür steht. Offenbar schon eine ganze Weile.
»Kannst du mir das beibringen, diese Ladino-Worte?«, sage ich, um meine Überraschung, meinen Schreck zu überspielen.
»Ich schreib es dir gern auf, chérie«, sagt Isabelle und kommt näher, guckt zu, wie ich die Form in den Ofen stelle.
»Aufschreiben? Das ist nicht nötig.« Ich lächele und streiche mir das Haar aus der Stirn.
»Warum willst du’s nicht schriftlich haben?«
Ich sage stolz: »Wenn ich mir etwas merken will, dann behalte ich es auch. Schließlich werde ich einmal Schauspielerin.«
»Schauspielerin also!«, sagt Isabelle. »Das hätte ich mir denken können.«
Sie dreht sich um und verlässt die Küche.
Was hat sie denn nun damit gemeint?
5
Gaston sitzt in der Bibliothek am Schreibtisch und durchblättert Rechnungen, als Isabelle mit schnellem Schritt das Zimmer betritt. Er sieht auf, blickt sie erwartungsvoll an. Ihre Wangen sind leicht gerötet und ihre Augen glänzen. »Ich war eben in der Küche!« Sie nickt triumphierend. »Sie kann es! Ich weiß nicht, ob sie es sich bei ihrem Vater nur abgeguckt hat oder ob er es sie richtig gelehrt hat. Jedenfalls: Sie kann es. Sie wurde immer sicherer, und zum Schluss hat sie sogar eines der Lieder gesummt und nach dem Text gefragt. Und zum Theater will sie auch. Alles stimmt an dem Mädchen, sie ist eine echte Lasker, Blut von meinem Blut.«
Sie setzt sich auf die Kante des Schreibtischs, als wäre sie ein junges Mädchen, nimmt sich eine lange braune Zigarette aus dem Humidor, der neben Gastons marmornem Schreibzeug steht, und hält sie ihm fordernd hin.
»Belle, denk an deine Gesundheit!«, sagt er mit sanftem Vorwurf, aber gibt ihr dennoch Feuer.
Isabelle inhaliert tief und pustet den Rauch durch die Nase aus. »Meine Gesundheit, mon cher, die hält genauso lange vor, wie sie vorhalten muss. Das wissen wir beide.« Ein kleines spöttisches Lächeln. »Im Ernst, Gaston, es war beeindruckend. Vor allem wie sie die Vorbereitungen getroffen hat. Wie umsichtig sie ist.«
»Nun, ich hoffe, es schmeckt auch.«
»Das werden wir bald wissen.«
Sie sehen sich an.
»Und dann?«, fragt Gaston.
Isabelle legt den Kopf in den Nacken und bläst den Rauch ungeduldig gegen die Zimmerdecke. »Wir sollten heute
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