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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sofort weitermachen«, sagt sie bestimmt. »Was meinst du, womit?«
    »Vielleicht mit einer Geschichte? Irgendeiner jüdischen Legende?«, schlägt Gaston vor. »Etwas aus der Bibel. Wir wollen ihr ja nicht zu viel zumuten.«
    »Nein, keine Geschichtchen! Kein Drumherum. Der Golem«, sagt Isabelle schnell und sicher.
    Gaston sieht sie an. »Du willst gleich zur Sache kommen?«
    »Natürlich. Die Zeit drängt.« Sie lässt keine Debatte zu, fragt: »Was meinst du – ob sie davon schon einmal gehört hat?«
    »Mag sein. Die Geschichte vom Zerberus kannte sie auch, unten in Cerbère. Aber wir dürfen nicht mit der Tür ins Haus fallen, Belle. Ich wiederhole: Wir dürfen ihr nicht zu viel auf einmal zumuten. Du bist gestern Abend schon sehr weit gegangen.«
    Isabelle drückt die nur halb aufgerauchte Zigarette energisch im Aschenbecher aus. »Ja, ja. Aber ich habe keine Zeit mehr. Das weißt du so gut wie ich. Ich muss meine Aufgabe erfüllen.«
    Sie rutscht vom Schreibtisch. Gaston greift nach ihrer Hand, hält sie fest. »Deine Aufgabe – die ist wie eine Hülle aus Stahl, die dich aufrecht hält. Solange die noch nicht erledigt ist, hab ich keine Furcht um dich. Danach vielleicht.« Zärtlich streicht er über ihren schmalen Handrücken, bis zu den Fingerspitzen. »Was für schöne Hände du noch immer hast!«
    »Ja«, spottet sie, »mit Altersfl ecken, blauen Adern und verdickten Fingerknöcheln!«
    »Schöne Hände!«, sagt er kategorisch. Er steht auf. »Ich kümmere mich um den Wein. Bin gespannt auf den Fisch der Leonie Lasker.« –
     
    Die Barben waren ein Erfolg. Nun hält sie Siesta in ihrem schönen Zimmer, wie es hier Sitte ist – sogar die Geschäfte unten in Cerbère sind geschlossen, bis die Hitze nachlässt, hat sie von Gaston erfahren –, und sie schläft tief und fest unterm Gesumm der Fliegen, die oben an der hohen Zimmerdecke um den Kandelaber kreisen. Dann, als die Sonne tiefer steht, verlässt sie ihren Raum und geht hinaus in die Weinberge, knickt in ihren Spangenschuhen mit dem kleinen Absatz ein paarmal um auf dem Geröll der Wege, zerschrammtsich Beine und Arme am Weißdorngebüsch und denkt erst einmal an gar nichts, genießt einfach diesen südlichen Sommer, Luft und Duft, Zikadengesang.
    Es ist doch noch ein schöner Tag geworden.
    Aber heute Abend also geht es wieder ins sogenannte Boudoir. Isabelle gibt keine Ruhe. Leonie wird sich höfl ich anhören, was immer man ihr erzählt. –
     
    Diesmal stehen alle vier Fenster des Zimmers weit offen. Vom Westen her färbt die Abendröte das Stück Himmel, das man sieht. Gegenüber, wo es rasch dunkelt, sind schon die ersten Sterne erschienen. Nicht ganz so klar. Ein bisschen dunstiger als gestern. Die beginnende Nacht hat alle Gerüche freigemacht, Thymian und Lavendel, wilde Rosen und Lorbeer.
    Da gibt es zwar einen Lichtschalter und eine Lampe an der Decke, aber davon wird nicht Gebrauch gemacht. Kerzen brennen, flackern in dem leichten Luftzug. Sie sitzen auf den Kissen, es ist schön. So könnte es bleiben.
    Gaston beginnt: »Wir möchten dir eine alte Geschichte erzählen heute, die für uns eine große Bedeutung hat. Sie ist wichtig für Isabelle, verstehst du?«
    Isabelle bringt ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen, holt tief Luft. Sie sieht Leonie in die Augen und fragt geradezu: »Was weißt du über den Golem?«
    Leonie rückt unruhig hin und her auf ihrem Polster. Offenbar wird ihr Vorsatz, Geduld zu üben, auf eine harte Probe gestellt. Sie möchte nicht über irgendwelche Ungeheuer reden. Sie will keine Belehrungen mehr. Wenn überhaupt, möchte sie die eine oder andere Frage stellen zu dem, was sie in diesem Zimmer sieht, und nicht über abgründige Dinge reden wie den Golem in Prag, diese steinalte Geschichte. Aber genau darauf scheint es hinauszulaufen.
    Widerwillig gibt sie Antwort. »Der Golem, ja. Ich habe da mal eine Geschichte gelesen, in einem Sagenbuch. Irgendetwas in der Stadt Prag. Ein Monster. Eine Lehmfi gur, die lebendig wird und durch die Gassen stapft, nachts.«
    Gaston bemerkt ihre Stimmung. Er übernimmt, redet sehr sanft weiter, sehr väterlich.
    »Ein Monster ... nun ja, Leonie. Das ist die Sicht von außen, die Sicht derer, die es nicht besser wissen. Der Golem ist ein Helfer der Juden. Auch ein Mythos, wenn du so willst. Ein Wesen, das zu ihrem Schutz geschaffen wird in Zeiten der höchsten Not. Wissende können ihn formen und erwecken und nach ihrem Willen steuern. Das letzte Mal, dass

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