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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Anschlussbahn.
    Hermannplatz steige ich aus, laufe hinein in unsere nicht gerade sehr anheimelnde Seitenstraße; wenn’s dunkel ist, sieht man nicht,wie überall der Putz von den Häuserwänden abbröckelt. Es ist still, keiner ist hier mehr unterwegs und die Gaslaternen geben trüben Schein. Manchmal ist es ziemlich unheimlich. Aber ich habe noch nie Angst gehabt, abends allein unterwegs zu sein. Ich habe ein flinkes Mundwerk und schnelle Beine. Ich fürchte mich nicht. Mein Vater lässt mich zwar tun, was ich will, aber ich weiß, dass er auf mich wartet. Wenn ich in unseren Hinterhof einbiege, sehe ich, dass in seinem Zimmer oben im dritten Stock noch Licht brennt. Zwar hat er die Vorhänge zugezogen, aber er weiß nicht, dass man an den Seiten einen schmalen Lichtschein erkennen kann. Wenn ich dann den Flur betrete, ist da keine Helligkeit unter der Tür mehr zu sehen. Er macht die Lampe aus, wenn er das Geräusch meines Schlüssels hört.
    Ich bin ihm dankbar für diese Freiheit, die er mir lässt, und liebe ihn wegen seiner Besorgnis.
    Auch heute leuchtet die Nachttischlampe da oben, während ich über den Hof gehe, und auch heute ist alles dunkel, nachdem ich aufgeschlossen habe und den Flur betrete.
    Und ehrlich gestanden bin ich eigentlich ganz froh, dass ich ihn heute Abend nicht mehr sprechen muss. Wir sind wirklich seit dem Tod meiner Mutter sehr eng miteinander verbunden. Aber in der letzten Zeit, seit er keine Arbeit mehr hat, kommt er mir oft merkwürdig fremd vor. Ständig ist er unterwegs, um sich mit seinen ehemaligen Kriegskameraden zu treffen, oft auch an den Wochenenden. Und wenn ich nachfrage, was er denn da die ganze Zeit tut, dann antwortet er entweder gar nicht oder sagt: »Du musst deine Nase nicht in alles stecken, Leonie!« Und es klingt dann ziemlich gereizt.
    Also tue ich auch heute Abend so, als würde ich glauben, dass er schon schläft, und schleiche mich auf leisen Sohlen in meine Kammer; die umgebaute Speisekammer hinter der Küche. Ein Bett, ein Schrank, ein kleines Bücherregal, das vor allem Ausgaben meiner geliebten Theaterstücke enthält, und – wichtig für meine Zukunft! – der Spiegel, vor dem ich Rollen einüben oder Leute imitieren kann, die ich beobachtet habe. Heute Abend bin ich so aufgedreht, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, überhaupt einzuschlafen.Aber mein Kopf berührt kaum das Kissen, da bin ich schon weg. Im Traumland. In irgendeinem wohligen zukünftigen Sein. –
     
    Harald Lasker hat gewartet, bis die Tochter zurück ist. Erst dann ist es gut, und er kann sich auf die Seite drehen in dem Ehebett, in dem er nun schon seit fast vier Jahren allein schläft.
    Gerade ein paar Monate war es ihm vergönnt, mit Frau und Tochter gemeinsam zu leben, nachdem er 1918 aus dem Krieg zurückkam. Er hatte sich freiwillig für den Waffendienst gemeldet, denn er glaubte, dass Deutschland im Recht sei, diesen Krieg zu führen, und war verzweifelt und verbittert über die Niederlage heimgekehrt. Dann starb seine Frau an einer Lungenentzündung und er blieb allein mit einem Mädchen von zwölf Jahren.
    Wenigstens hatten sie einander, um sich gegenseitig zu trösten. Leonie schlief in den ersten Wochen im verwaisten Bett der Mutter neben ihm; ein dunkellockiges, rotwangiges Wesen mit sanft geschwungenen Lippenbögen und kindlich gewölbter Stirn, bevor sie wieder in ihr Kinderzimmer umzog.
    Lasker ist Koch, ein Koch der Extraklasse. Natürlich war es mit das Erste, dass er seine Tochter zu Hause an den Herd stellte, denn er hatte keine Lust, Schlemmereien für andere Leute herzustellen und sich daheim Butterbrot und Tee vorsetzen zu lassen. Wenn er nach Haus kam, sollte etwas Vernünftiges auf dem Tisch stehen. Das lernte Leonie schnell. Manchmal, wenn sie versprach, sich ganz still zu verhalten, und sich gleichsam unsichtbar machte, nahm er sie auch schon mal mit in seine Küche, ins feine Restaurant am Savignyplatz, und noch heute lächelt er in Erinnerung daran, wie sie mit offenem Mund dem französischen »Küchenlatein« zuhörte, in dem er seine Anweisungen gab. Sautieren – blanchieren – attachieren – nap pieren – tournieren – Bain Marie – Glace ... Und vor allem Mise en place, das Zurechtstellen aller Zutaten vor dem eigentlichen Kochvorgang. Er, der Franzosenhasser! Aber es gehörte nun einmal zum Metier. Die feine Küche war französisch.
    Die Schwärmerei seiner Leonie für das Theater duldete er nichtnur, er hieß sie sogar gut und tut es immer

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