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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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versuche abzulehnen, aber da hat er schon seinen Arm um meine Schulter gelegt.
    »Keine Sorge«, versichert er mir. »Da ist kein Alkohol drin.«
    Das ist ja gerade meine Sorge.
    Von nun an versuche ich im Minutentakt zu fliehen, aber der werdende Vater hat mich fest in der Mangel. Wenn der weiter so strahlt, kann sich seine Frau heute Nacht das Babylicht sparen.
    Er redet so detailliert über die Geburt seines ersten Kindes, dass mir kurz übel wird. Offenbar ähnelt die, was Blut und Schmerz angeht, eher einer Tortur als dem viel zitierten freudigen Ereignis. Mit aller Kraft versuche ich mich vor Worten wie »Muttermund gerissen«, »Nachgeburt« und »zugenäht« zu verschließen, aber der Vater hört nicht auf und erzählt auch noch begeistert vom »Aufstoßen«, dem »Kindspech« und riesiger Krankenhausunterwäsche.
    »Muss ein Paar alles zusammen erlebt haben«, findet er.
    Gerade will ich ihm widersprechen, da klingelt hinter der Bar das Telefon. Der Barkeeper-Hausmeister reicht den Hörer wortlos an den Vater weiter.
    Dessen Miene wandelt sich blitzschnell von überdreht zu devot. Dabei sagt er in einer Tour: »Ja, Schatz, natürlich, Schatz.« Mit einem »Bis gleich, Schatz« gibt er dem Hausmeister den Hörer zurück, umarmt mich fahrig und rennt in Richtung Aufzug, als wäre gerade die Fruchtblase seiner Frau geplatzt.
    Ich seufze und bedeute dem Barkeeper, mir noch einen Schnaps zu bringen. Aber der schaut mich nur abfällig an und schüttelt den Kopf.

Familientag
    Um sechs Uhr morgens werden auf allen Etagen Kinder gejagt – zumindest klingt es so. Ein Geschrei, Gerenne und Gestampfe wie bei einer Hetzjagd. Schon nach kurzer Zeit erkenne ich ein Muster: Erst machen die Kinder Lärm, dann sagen die Eltern, die Kinder sollen bitte noch »einen Moment« liegen bleiben und ruhig sein. Daraufhin stehen die Kinder auf und schreien lauter, bis sich schließlich auch die Eltern aufrappeln, hinter ihnen herlaufen und ebenfalls schreien. Am Ende weinen erst die Kinder und dann die Eltern, weil es ihnen leidtut und man ja nicht schreien soll. Das alles vor dem Frühstück.
    »Ich will Joghurt!«, brüllt Leonie auf dem Bett ihre Mutter an, ohne es überhaupt erst freundlich zu versuchen. Kurz darauf steht Anne auf und verschwindet mit ihr im Bad.
    Zehn Minuten später stehen beide ausgehfertig vor mir. Kaum zu glauben: zwei Frauen, nur zehn Minuten im Bad – das muss ein Traum sein.
    »Caspar, aufstehen, frühstücken! Wir sind spät dran. Es ist neun.«
    Neun Uhr? Das ist ja mitten in der Nacht! Ich dachte, wir sind im Urlaub.
    »Geht schon mal vor«, entgegne ich und schließe die Augen.
    »Wir sind hier eine Familie«, höre ich Annes Stimme, »wir frühstücken zusammen!«
    »Lass uns altmodisch sein: Ich verdiene das Geld, du kümmerst dich um die Kinder.«
    Einen Moment ist es totenstill im Zimmer. Gerade schlummere ich wieder ein, da spüre ich ein Kratzen auf meiner Stirn. Offenbar tastet Leonie mit ihren kleinen Fingerchen mein Gesicht ab, um zu überprüfen, ob ich wirklich schlafe. Das habe ich als Kind auch immer bei meinen Eltern gemacht. Aber so leicht lasse ich mich nicht zum Aufstehen bewegen. Das Kitzelkratzen geht von der Stirn über die Augenlider zur Nase, erst rechts, dann links zum Jochbein und schließlich zum Kinn.
    »Was hast du denn da Schönes gemalt?«, fragt Anne interessiert.
    »Eine Katze«, erklärt Leonie stolz.
    Anne kichert. »Jetzt nimm den roten Edding und male noch ein Katzenbaby dazu, okay?«
    Ich schrecke hoch und brülle: »Habt ihr sie noch alle?«
    Leonie versteckt sich hinter Anne.
    »Das sind die ältesten Partyregeln der Welt: Wer einschläft, wird angemalt.« Anne sieht mich an und grinst. »Armer schwarzer Kater.«
    Aus dem Stand springe ich hoch, keine zwei Sekunden später stehe ich im Schrankklo vor dem Spiegel: Mein Gesicht ist ungewaschen, unrasiert – und unbemalt.
    »Und das ist der älteste Kindertrick der Welt. Aber da du jetzt eh im Bad bist, wasch dich schnell, zieh dir saubere Klamotten an, und komm zum Frühstück. Wir warten im Speisesaal, ich bestelle dir Kaffee. Lass ihn nicht kalt werden!«
    Die Zimmertür fällt ins Schloss.
    Beim Frühstück sitzen wir diesmal zum Glück allein. »Wahrscheinlich weil wir spät dran sind«, vermutet Anne. »Wenn du Kontakt zu anderen Vätern knüpfen willst, musst du früher aufstehen.«
    »Habe ich alles gestern erledigt«, murmele ich, während ich mein Rührei mit Speck in mich hineinstopfe.
    Der werdende

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