Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
angriffslustig wie eine Katze, die von einer betrunkenen Maus zum Ringkampf gebeten wurde.
»War ja auch nur ein Scherz, oder?«, fragt sie.
Ich beuge mich zur Familie Fröhlich hinüber und grinse. »Ganz genau«, sage ich und schaue nun dem Vater in die Augen. »Ich mache das ausschließlich für mich und meine Familie.«
Und für meine Karriere, sollte ich ehrlicherweise ergänzen.
Herr Fröhlich streckt mir erneut seine Rechte entgegen. Wir drücken uns die Hände, so fest wir können. Für einen Familienvater hat der Kerl einen ganz schön festen Griff. Während die anderen Gäste wieder Platz nehmen, murmelt er leise: »Sie glauben gar nicht, wie gern die Familie Fröhlich diese Herausforderung annimmt.« Sein drohender Unterton macht klar, dass es hier eher um eine Vernichtung als um eine Herausforderung geht.
Der Platinbubsi! Was für eine bescheuerte Idee. Diese Auszeichnung werde ich ordentlich durch den Kinderkakao ziehen. Und dann wollen wir mal sehen, wer hier zuletzt lacht.
»Die erste große Hürde beim Bubsi ist für viele Väter der Tanzkurs«, stichelt mein Gegner. »Was ist denn diesmal das Thema?«, erkundigt er sich bei seiner Tochter.
Die kleine Paula schlägt ein Programmheft mit dem Logo des Hotels auf. »Tempelkatzentanzen – entdecke die ägyptische Familienseele«, zitiert sie und klatscht voller Freude in die Hände.
»Kein Problem«, entgegne ich. Ist wahrscheinlich so was wie Balkanpop à la Disko Partizani. »Wann geht es los?«
»Übermorgen«, verkündet Direktorin Sommer. »Wir freuen uns über jeden Mann, der da mitmacht.«
Auch Herr Fröhlich nickt zufrieden. Ich lasse seine Hand wieder los, nicke zum Abschied in die Runde und eile möglichst unbeschwert pfeifend meiner Familie hinterher.
Am Fahrstuhl habe ich sie eingeholt.
Gerade will ich Anne erklären, warum uns kein anderer Ausweg blieb, da kommt uns Jeannie entgegen. Genau wie Anne sieht sie maximal verärgert aus. Was ist denn hier los? Ich dachte, in Familienhotels ginge es streng harmonisch zu?
»Der Aufzug funktioniert gerade nicht, wir hatten einen Brandalarm«, erklärt sie. »In Ihrem Zimmer.«
Anne zuckt zusammen. Auch das noch. Hoffentlich ist meinem MacBook nichts passiert. Jeannie schaut Anne vielsagend an.
»Ihr Vaporisator hat gebrannt«, erklärt sie. » Jemand hat vergessen, Wasser einzufüllen. Die Schnuller sind verschmort.«
Meine offizielle Frau atmet tief durch und tritt mir gegen das Schienbein.
»Das war für die Schnuller …«
Ich beiße die Zähne zusammen. Der zweite Tritt trifft exakt dieselbe Stelle.
»Und das ist für die Teilnahme an dieser ›spielerischen Supervision‹.«
Mein Bein tut sauweh, aber wahrscheinlich habe ich das echt verdient.
Anne atmet auf. »Jetzt geht es mir besser.«
Jeannie nickt zufrieden. »Mir auch.«
Auf der Treppe versuche ich, Anne zu erklären, dass ich nur an dieser Supervision teilnehme, um mich mit Leib und Seele auf das Thema Familie einzulassen. Annes Mund bleibt ein schmaler Strich, aber ich glaube, sie hat den Köder geschluckt.
Als ich oben die Zimmertür öffne, stinkt es nach verbranntem Gummi, obwohl das Fenster sperrangelweit offen steht. Ich bringe sicherheitshalber mein Schienbein außer Annes Reichweite und erwähne beiläufig, dass eine Zigarette dem Raumklima jetzt vielleicht zuträglich wäre.
»Dem Klima zwischen uns beiden wäre es zuträglich, wenn du ein paar neue Schnuller organisieren könntest«, meint Anne und verschwindet mit Leonie im Schrank, um sie »bettfertig« zu machen.
Ich rufe an der Rezeption an. Jeannie erklärt, dass sie »vor einer Minute« den letzten Schnuller weggegeben hat, und verspricht, gleich morgen Herrn Béla loszuschicken, um neue zu besorgen. Mit sarkastischem Unterton wünscht sie mir eine gute Nacht.
Ich lege auf und nutze Annes kurze Abwesenheit, um ein paar Notizen in den Computer zu tippen. Vater zu sein, schlaucht mehr, als sich im Nachtleben herumzutreiben. Und gegen Leonies Trotzgeschrei kommt mir mein Lieblingsclub so ruhig vor wie ein Schweigekloster.
Der Abend hat mich in meiner Haltung noch bestärkt. Als Familienvater muss ich mich mit Leuten abgeben, mit denen mich nichts verbindet außer der Tatsache, dass wir ein Kind haben. Da könnte ich mich ebenso gut mit den Überlebenden des Gaddafi-Clans verbrüdern. Und diese ewige Korrektheit! Total anstrengend.
Ich lege meine Finger auf die Tastatur. Der erste Satz ist immer der schwerste: »Wie ein gutes Gefängnis kommt ein
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