Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
guter Aussicht.«
Es wird nichts helfen, mich taub zu stellen. Beim zweiten »Caspar« nehme ich mein Handtuch und bahne mir den Weg durch die Reihen der Nackten, wobei ich versuche, nicht auf nassen Schenkeln auszurutschen.
Nach vier »Sorrys« komme ich neben Mr. Perfect in der dritten Etage an, nah am Steinhaufen. Dieser Platz ähnelt von der Atmosphäre her dem ersten Wagen einer Achterbahn.
Ich schaue nach links. Direkt neben mir sitzt Ehepaar Eisenstein. Mit aller Kraft zwinge ich mich, den Blick auf ihren Gesichtern ruhen zu lassen. Frau Eisenstein grüßt mich mit ihrem gütigen Lächeln. Offenbar haben die beiden kein Wort von dem verstanden, was sich Mr. Perfect eben geleistet hat. Die alte Frau bewegt ihren faltigen Oberschenkel etwas zur Seite, sodass ich sie beim Hinsetzen nicht berühre. Ihr Mann streichelt ihr zärtlich über den krummen Rücken.
Kaum habe ich mich hingesetzt, fühle ich mich wie mittags in der Sahara unter einem Heizpilz. Der Platz hier ist tatsächlich die Hölle. Von oben kann man die Problemzonen der anderen Gäste noch deutlicher erkennen als von unten. Leider bin ich so eingepfercht, dass ich den Aufguss wohl bis zum Ende aussitzen muss.
Jetzt betritt der Bademeister den Raum. Er trägt einen hölzernen Eimer mit einer Kelle und um die Lenden nichts als ein Handtuch. Die vielen Aufgüsse haben seine Haut ledrig rot gefärbt. Sein Gesichtsausdruck hat alles Gütige verloren, keine Spur mehr von Wellness, Ayurveda oder Wohlfühlmassage. Sein Blick schweift über die Wartenden wie der des Opfermeisters einer Saunasekte über die Jungfrauen, die gleich ins Feuer geworfen werden. Ich grüße ihn mit einem Kopfnicken, aber er scheint mich nicht zu erkennen. So muss die Hexe geschaut haben, als sie Hänsel und Gretel backen wollte.
»Hohoho!«, ruft der Mann. »Seid ihr bereit, durch die Hölle zu gehen?«
Die Hölle? Ich dachte, das hier sei der Lindenblütenaufguss? Ich schüttele den Kopf. Aber das interessiert niemanden.
Der Bademeister fährt in ernstem Ton fort: »Wenn irgendwem schwindelig wird, bitte rausgehen. Wenn jemand Herzrasen kriegt, bitte sofort raus – vor allem die Herren. Die Damen dürfen gern hier drin umkippen, dann belebe ich sie wieder.« Er macht einen Kussmund und zwinkert ironisch.
Die Gäste lachen – wie erwartet. Mr. Perfect klatscht sich sogar mit der Pranke auf den Oberschenkel, dass ein paar Schweißperlen auf meinem Bauch landen.
»Und schon geht es los«, kündigt der Zeremonienmeister an und gießt genüsslich eine große Kelle Wasser aus dem Kübel auf den Steinhaufen. Es zischt. Noch eine Kelle, noch ein Zischen. Die Hitze steigt, meine Haut brennt. Kelle, Zischen, Kelle, Zischen. Kann kaum noch atmen. Auch die anderen Gäste kneifen die Augen zusammen. Ein älterer Mann setzt seine Brille ab, ein anderer steigt von der dritten auf die zweite Etage hinunter.
Mr. Perfect grinst unbeirrt. Schweißperlen kullern über die verschiedenen Wölbungen seines Körpers. Bei mir wachsen sie aus der ersten Bauchfalte, kullern in die zweite Bauchfalte und verschwinden in der dritten. Ich kann jede Pore meiner Haut genau erkennen, wie unter einem Mikroskop.
»Bitte anschnallen, ich starte den Propeller«, kündigt der Bademeister an und nimmt das weiße Saunahandtuch von den Schultern. Wie ein Cowboy wirbelt er es über seinem Kopf, während er durch den Raum schreitet. In Schüben peitschen die Hitzewellen auf uns ein. Offenbar wedelt der Kerl den Sauerstoff hinaus, denn ich kriege kaum noch Luft. Muss schneller atmen. Meine Finger kribbeln, die Beine auch. Tiefer Luft holen.
Der nächste Aufguss. Die ersten Gäste verlassen bereits die Sauna, darunter der Psychologe.
»Feiglinge«, ruft Mr. Perfect ihnen hinterher. »Flüchtlinge!«
Der Bademeister grinst, Frau Eisenstein nickt gesellig. Mir wird ein bisschen schwindelig, deshalb stütze ich mich mit den Ellbogen auf meinen Knien ab. Sind bestimmt die Entzugserscheinungen vom Nichtrauchen.
Vor jeder Reihe, in der starke Männer sitzen, wedelt der Bademeister eine Extrarunde. Das ist die dunkle Seite der Männlichkeit: immer ans Limit, ganz egal, ob beim Saufen oder in der Sauna. Vielleicht sollte ich doch mal kurz frische Luft schnappen? Nein, ich werde mir vor Mr. Perfect keine Blöße geben.
Jetzt steht der Bademeister direkt vor uns. Er sieht mich etwas besorgt an. »Alles okay?«, fragt er.
Ich nicke. Meine Knie sind mittlerweile eh zu weich, um aufzustehen. Und ich möchte auf keinen
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