Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Szene zu machen. Habe immer noch Herzrasen. Das Ding ist wohl nicht an so viel Familie gewöhnt.
»Es könnte echt sein, dass ich irgendeine Herzschwäche habe«, bemerke ich und stehe auf, gebeugt wie ein alter Mann.
»Das würde zumindest deine Beziehungsprobleme erklären«, vermutet Anne nassforsch.
»Wenn ihr wieder bereit seid, wie Erwachsene zu reden, könnt ihr mir ja Bescheid sagen«, blaffe ich und mache mich auf in Richtung Frühstücksbüfett.
Ein greller Blitz nimmt mir die Sicht. Direkt vor mir steht Herr Fröhlich mit einem Monstrum von Fotoapparat in der Hand.
»Für die Nachberichterstattung«, grinst er und hält mir die Hand zum High five hin. Ich zeige ihm den Mittelfinger, was er sofort in einem zweiten Bild dokumentiert. Vielleicht kann ich ihm das später für meinen Artikel abkaufen.
Die Metallschüsseln am Büfett sind so leer wie mein Kopf. Nur den Heringssalat hat niemand angerührt. Davor treffe ich den Psychologen und Chefjuror.
»Möchten Sie darüber sprechen?«, fragt er.
»Über Fisch zum Frühstück?«
»Mir gegenüber brauchen Sie nicht den starken Mann zu spielen. Ich bin nicht nur Juror und Erfinder des Familiencontests, ich bin auch Arzt.«
»Aber ich bin nicht krank.«
Statt mich am Kopf zu kratzen, was er sofort als Verlegenheitsgeste entlarven würde, schaufele ich Heringssalat auf meinen Teller.
Der Psychologe ignoriert meinen spöttischen Blick und nimmt sich auch etwas aus der Schüssel.
»Sie haben keine Ahnung, was das war?«, fragt er und deutet mit dem Kopf in Richtung Saunabereich.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich bin umgekippt, keine große Sache – ist sogar schon Chuck Norris passiert, in ›Delta Force 2‹, glaube ich.«
»Entspannung, Analyse, Konfrontation«, erklärt der Psychologe, als wollte er mich für ein äußerst lukratives Geschäftsmodell begeistern. Ich verstehe kein Wort. Er nimmt sich mit der freien Hand einen Brotkorb und legt den Kopf etwas schräg.
»Ich bin für das Wohlergehen der Gäste in diesem Haus zuständig. Wenn ich Ihnen also irgendwie helfen kann, bin ich für Sie da. Das gebietet mir mein hippokratischer Eid.« Er zwinkert vertraulich.
»Danke, echt kein Bedarf«, entgegne ich und wende mich ebenfalls zum Gehen. Der wird sich wundern, wenn mein Verriss erscheint – auch wenn ich darin mein Missgeschick nicht erwähnen werde. So weit kommt es noch, dass ich zum Psychologen gehe! Wenn ich reden will, rufe ich meine Kumpels an. Und die rufen zurück – wenn ihre Kinder schlafen.
Am Frühstückstisch hat sich meine falsche Familie wieder beruhigt. Leonie ist vollauf damit beschäftigt, ihr Mineralwasser mit einem Löffel aus der Tasse zu schöpfen und in meinen Tee zu füllen.
Während ich mich der bitteren Säure des Heringssalats stelle, liest Mr. Perfect schon wieder den Artikel über sich. Oder immer noch. Jetzt klappt er das Blatt so um, dass ich noch einmal das Foto meiner entwürdigenden Nacktheit vor Augen habe.
Anne sieht mich mitleidig an. »Das kann doch jedem mal passieren«, sagt sie so verständnisvoll wie die Liebhaberin eines älteren Mannes.
Ob in den wilden Zeiten des Hotels auch die Leichen der Manager, die ihr Leben beim Saunasex aushauchten, in der Hotelbroschüre abgebildet wurden? Nein, wahrscheinlich gab es damals einfach normale Centerfolds mit ein paar Witzen auf der Rückseite. Aber selbst der Gedanke daran kann mich nicht aufheitern. Ich senke meinen Blick auf die Rubrik »Reisetipp«.
»Entspannung für die Großen, Action für die Kleinen, Spaß für alle auf der Family-Fun-Farm in Furten!« Klingt nach entsetzten Vätern, quengelnden Kindern und streitenden Paaren: Kanonenfutter für meinen Artikel. Der Gedanke an meine große Geschichte verleiht mir gleich neuen Schwung.
»Lasst uns heute doch einen Familienausflug machen«, schlage ich vor und deute auf den Artikel. »Alle zusammen.«
Anne sieht mich überrascht an, Mr. Perfect schüttelt den Kopf. »Ich kann nicht, ich habe geschäftlich zu tun.« Anne schaut ihn verwundert an. So, als wäre das anders besprochen gewesen.
»Aber Leonie würde sich so freuen«, bittet sie.
Mr. Perfect blickt skeptisch über seine Lektüre.
»Wenn er nicht will …«, werfe ich ein. »Das ist bestimmt nichts für so harte Kerle.«
Mr. Perfects Blick schwenkt böse zu mir. Er faltet die Zeitung zusammen. »Ist besser, wenn ich mitkomme – falls Caspar noch mal umkippt. Du kannst ja schlecht beide tragen.«
Schon gestern in der Sauna
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