Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Fall beim Rausgehen straucheln. Ist bestimmt gleich vorbei. Mein Herz klopft so laut, dass die anderen es eigentlich hören müssen.
»Dann mal her mit der Hitze, junger Mann«, sagt Oma Eisenstein und nickt dem Bademeister voller Vorfreude zu. Mr. Perfect, der auch schon ordentlich schwitzt, reckt den Daumen nach oben. Sogar ich ringe mir ein Nicken ab.
Der Bademeister grinst. In bester Autoscooter-Manier ruft er: »Bitte aaanschnaaallen, die letzte Runde beginnt!«
In einem Schwall schüttet er den Rest Wasser aus dem Eimer über die Kohlen. Das Zischen ist unerträglich, die Luft verdampft. Ich muss an die Wirtschaftsbosse denken, die in dieser Sauna ihr Leben gelassen haben. Mir wird so schummerig, dass ich den Kopf nicht mehr heben kann. Mein Puls rast. Raus. Doch ich kann nicht aufstehen.
Der Bademeister beginnt, sein Handtuch zu schwingen. Ich ringe nach Luft. Mr. Perfect schaut mich an. Seine Lippen bewegen sich, aber ich verstehe ihn nicht.
Mit letzter Kraft drehe ich mich weg von ihm, zu Frau Eisenstein. Die nickt mir freundlich zu. Ich versuche ein Lächeln. Dabei verliert mein Körper auch das letzte bisschen Spannung, und ich spüre gerade noch, wie ich mit dem Gesicht voraus in Oma Eisensteins nackten Schoß kippe.
Nur wer sich fallen lässt, wird glücklich
Auf dem Frühstückstisch liegt die aktuelle Ausgabe der Hotelbroschüre »Familienurlaub«. Eigentlich stehen darin nur Wandertipps, Wellnessangebote, Hotelwitze und der Wetterbericht. Diesmal aber prangt auf der ersten Seite ein großes Foto: Mr. Perfect, der mich aus der Sauna trägt. Meine Arme hängen schlaff herunter, um uns herum stehen entsetzte Eltern, die ihren Kindern die Augen zuhalten.
Vielleicht sollte ich eine Gegendarstellung erwirken, die festhält, dass mein Penis normalerweise größer ist, wenn er nicht durch die Saunahölle gehen musste.
Über dem Foto steht in fetten Lettern die Schlagzeile: »Leonhardt Löwenherz – Lebensretter«. Text und Fotos stammen von Herrn Fröhlich.
Ich lasse meinen Kopf auf die Tischplatte sinken.
»Caspar ist müde«, stellt Leonie fest.
»Papa«, hauche ich schwach. »Anne, bitte bring ihr bei, dass ich ihr Papa bin.«
Aber Anne ist gerade viel zu sehr damit beschäftigt, Leonies echten Vater anzuhimmeln, an dessen Brust ein grüner Pappmascheeorden mit der Aufschrift »Gast der Woche« prangt. Auf der Verleihung nach dem Abendessen hat er wahrscheinlich keine Gelegenheit ausgelassen, sich offiziell als »Leonies Patenonkel und Annes starke Schulter« vorzustellen – zum Entzücken der anderen Gäste. Vermutlich kriegt er den Platinbubsi auf Lebenszeit hinterhergeschmissen.
Leider kann ich mich kaum an das Saunafiasko erinnern: Das Letzte, was ich weiß, ist, dass Frau Eisensteins nackter Großmutterschoß auf mich zuraste. Dann wurde alles schwarz. Oder grau meliert.
Meine nächste Erinnerung ist eiskaltes Wasser – überall. So muss sich ein Lachs fühlen, der versehentlich aus dem Polarmeer gehüpft ist und nun völlig neben sich auf der glitschigen Eisscholle liegt. Unter mir spürte ich die harten Fliesen des Spa-Bereichs. Ich schlug die Augen auf: Etwa zwanzig Menschen in Bademänteln starrten mich an. Einer von ihnen, Herr Fröhlich, hielt eine Kamera auf mich gerichtet. Blitz! Mr. Perfect stand direkt vor mir, eine Hand an dem mannsgroßen leeren Holzbottich. Ein Bad in Fußpilzwasser – davon hatte ich immer schon geträumt!
Mein ehemaliger Kumpel, der sadistische Aufgussmeister, schaute mir besorgt in die Augen: »Du siehst echt nicht gut aus. Einen ganz schönen Schrecken hast du uns eingejagt, vor allem der älteren Frau.«
Er deutete zu den Entspannungsliegen. Auf der ersten lag Oma Eisenstein. Wer hier wem den Schrecken eingejagt hat, muss noch geklärt werden. Ihr Mann fächelte ihr mit einer Frauenzeitschrift Luft zu. Als er merkte, dass ich sie anstarrte, ließ er die Hand seiner Frau los und machte die Kehle-durchschneiden-Geste.
»Ich habe mir Gedanken über die Sache in der Sauna gemacht«, sagt Anne gerade mit ernstem Gesicht und putzt Leonie die marmeladenbeschmierten Finger ab. »Wahrscheinlich wolltest du einfach wieder zurück in den Mutterschoß.«
»Eher in den Großmutterschoß«, feixt Mr. Perfect.
Anne prustet los. Leonie sieht sie erst überrascht an, stimmt dann aber lauthals ein. Ihr Lachen verletzt mich am meisten.
Ich höre, wie der kleine Obi ein paar Tische weiter mitkichert. Leider fühle ich mich zu schwach, um seinen Eltern eine
Weitere Kostenlose Bücher