Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
mich nicht, als Herr Béla abnimmt.
Kurz darauf klopft es an der Tür. Das ging ja schnell. Oder ist es Mr. Perfect, der seinen Gurkenquark vergessen hat? Hoffentlich will er nicht sein Zimmer zurück. Am besten, ich bleibe einfach liegen.
Es klopft erneut. Eine Frauenstimme flüstert so laut es geht: »Mr. P.! Pst, ich bin es!«
Seltsamerweise bekomme ich eine Gänsehaut. Meine Knie werden weich, diesmal allerdings vor Aufregung. Woher kenne ich denn diese Stimme? Stanleys Frau ist es garantiert nicht, oder?
Langsam stehe ich auf und gehe zur Tür. Meine Hand schwitzt, während sie die Klinke herunterdrückt. Die Tür öffnet sich einen Spalt.
Ich traue meinen Augen nicht: Da steht Adoré.
Sie ist älter geworden, kein Zweifel, es ist ja auch zehn Jahre her, dass sie mich von einem Tag auf den anderen verlassen hat. Wahrscheinlich ist sie bloß eine Alkohol-und-Psychopharmakabedingte Halluzination. Aber sosehr ich auch zwinkere, sie will nicht weggehen.
Weil ich wie versteinert im Türrahmen stehe, streckt sie die Hand aus – mit einer mädchenhaften Geste und einem Lächeln, das mich sofort wieder genauso verzaubert wie vor zehn Jahren.
»Guten Abend, entschuldigen Sie die Störung. Ich wollte zu Mr. Perfect, ich habe einen Termin.«
Ihre Arme führen ein paar engagierte Joggingbewegungen vor.
»Fitness«, erklärt sie. »Ich wusste nicht, dass er noch einen Kunden hat.« Sie schüttelt den Kopf, als sei ihr etwas Wichtiges eingefallen. »Ich habe mich nicht vorgestellt, bitte entschuldigen Sie: Ich bin die Pressefrau des Hotels.« Sie streckt ihre Hand aus. Die fühlt sich auch an wie damals. Ich sehe ihr in die Augen.
»Mein Name ist Adoré Baroudel«, sagt sie.
»Ich weiß«, entgegne ich und bitte sie herein.
Im Zimmer zieht sie ihre Jacke aus und mustert mich. Sie legt den Kopf ein wenig schief, betrachtet mich lange, atmet dann tief ein und aus. Wie ein Seufzer, nur viel zärtlicher. Das Lächeln weicht nicht von ihren Lippen. Sie lässt meine Hand los und streicht über mein Gesicht, als wäre ich ein ausgestorbenes Tier.
»Caspar Hartmann«, flüstert sie ebenso leise wie verwundert. Keine Ahnung, wie sie das macht, jedes ihrer Worte, jede Geste dringt direkt in mein Herz.
Ich bin verloren.
Schon wieder.
»Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?«, fragt sie leise lockend.
Wir sind füreinander bestimmt.
»Ich war immer hier«, sage ich – keine Ahnung, warum.
Bin wie ferngesteuert.
Kann nicht nachdenken, auch nicht reden.
Also küsse ich einfach.
Wo man singt, da lass dich ruhig nieder
Es ist hell, zu hell. Elektrisches Licht strahlt von oben auf die zerwühlten weißen Decken, draußen zeigt die Welt ihre dunkle Seite. Adoré ist verschwunden, dafür steht Mr. Perfect vor meinem Bett, als wäre es sein Bett, was es ja auch irgendwie ist. In der Hand hält er ein Handy. Herr Schade ist dran.
Anne hat unseren Chef angerufen, ihm erzählt, ich wolle mich um das Familienthema drücken.
Petze.
Statt einem Kaffee auf einem Silbertablett bekomme ich einen Einlauf via iPhone serviert. Mr. Perfect steht mir dabei die ganze Zeit gegenüber und sieht zu, wie ich zusammengeschissen werde. Aber all das kann meine seit gestern Nacht wirklich sensationelle Laune nicht trüben. Als wäre Adoré nie weg gewesen. Große Liebe bleibt halt große Liebe. Endlich hat sie das auch verstanden. In meinem Bauch vögeln Schmetterlinge. In mein Ohr schreit Dr. Schade.
»Ab jetzt machen Sie, was Anne sagt. Sie müssen wissen, worüber Sie schreiben, sonst können Sie es nicht glaubhaft verreißen! Und gewinnen Sie diesen Familienpupsi! Das ist der Höhepunkt Ihrer Geschichte. Der Höhepunkt! Haben Sie mich verstanden?«
»Aye, aye, Sir!«, salutiere ich.
Mein Chef legt auf, und ich drehe mein Gesicht ins Kissen. Es riecht immer noch nach Adoré. Da liegt auch eines von ihren langen Haaren. Wahrscheinlich musste sie heute früh arbeiten und ist still und leise hinausgeschlichen, wie sie es früher auch immer gemacht hat. Ich picke das Haar mit Daumen und Zeigefinger auf. Mit der anderen Hand gebe ich Mr. Perfect sein Telefon zurück.
»Raus hier!«, sagt er. Offensichtlich ist ihm die Nacht mit seiner Familie nicht so gut bekommen.
»Etwas mehr Höflichkeit, bitte«, fordere ich.
»War gestern noch jemand hier?«, will er wissen.
Wir mustern uns. »Ja«, verkünde ich grinsend. »So ein kleiner Typ, weiße Jacke, Kinnbart, graue Hose.«
Mr. Perfect schaut verdutzt.
»Sa. . ., Sa. . .,
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