Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
sind ja nicht verheiratet.«
»Sind wir doch!« Anne hebt drohend das Kissen wie ein Wurfgeschoss.
»Nein!«
»Doch!«
»Nein!«
»Doch!«
»Das ist kindisch!«
Anne wirft. Das Kissen trifft mich am Bauch und fällt herunter. Ich schaue sie abschätzig an. Seit ich Adoré wiedergesehen habe, ist mir meine Kollegin, offen gesagt, noch gleichgültiger als zuvor. Die arme Leonie. Wo steckt sie überhaupt? Ich habe sie noch gar nicht gesehen. Suchend blicke ich mich im Zimmer um.
»Wo ist Leonie?«
Anne stutzt. Die Zornesfalte macht einer hämischen Miene Platz. »Vermisst du sie?«
»Nein.«
»Sie ist bei ihrer neuen Oma in der Lobby.«
»Du lässt sie allein mit einer fremden Frau?«
»Kann dir doch egal sein.«
»Anne, lass uns bitte professionell bleiben.«
»Du gefährdest unsere Aufgabe! Anstatt draußen herumzuirren, solltest du dich auf den Familiencontest vorbereiten.«
»Habe ich gemacht. Mit Herrn Fröhlich. Er heißt übrigens Stanley und ist sehr nett.« Seit wann muss ich mich überhaupt für mein Verhalten rechtfertigen? Das ist genau der Grund, warum ich nicht scharf auf eine Beziehung bin. Aber das sage ich jetzt natürlich nicht. Stattdessen verhalte ich mich wie einer dieser Kerle, die das Vertrauen ihrer Frau bereits vollends verloren haben.
»Wenn du mir nicht glaubst, frag ihn doch.«
»Das mache ich auch.«
»Hast du echt unseren Chef angerufen?«, will ich wissen.
Anne nickt trotzig.
»Hast du ihm von Mr. Perfect erzählt?«
Nein. Stattdessen hat sich Anne über meinen mangelnden Eifer beklagt. Jetzt bestimmt sie also offiziell, wo es langgeht. Wie in jeder modernen Beziehung.
Wortlos nehme ich meine Sachen, verschwinde ins Bad und dusche den allzu verführerischen Duft von gestern Nacht ab.
Leonie sitzt unten in der Lobby auf dem Schoß von Oma Eisenstein und blättert sehr interessiert in einer Frauenzeitschrift namens »Ladylike«. Ihren Mann hat die Oma in den Regen geschickt – mit dem Hund.
»Danke, dass Sie auf Leonie aufpassen konnten«, sagt Anne. Dann stutzt sie. Leonies Gesicht ist von blassroten Punkten übersät. Annes Stimme rutscht sofort eine Oktave höher.
»Schatz, was ist denn mit dir passiert?«
»Windplocken!«, entgegnet Leonie stolz.
Anne stellt sie sofort auf den Boden, sucht deren Arme und Beine nach verräterischen Pusteln ab und hält ihr die Hand zum Temperaturtest an die Stirn. Dann zieht sie Leonies T-Shirt hoch.
Oma Eisenstein zwinkert mir vieldeutig zu. »Soll ich bei Ihnen auch mal unter dem T-Shirt nachschauen?«
»Nicht nötig, ich hatte die schon als Kind.«
Anne betrachtet ihre Handinnenfläche, leckt ihre Daumenspitze an und wischt einmal quer über Leonies Stirn: Die Pusteln verschwinden. Auf dem Zeitschriftentisch steht ein kleines Schminkköfferchen. Oma Eisenstein nickt lächelnd. »Sie wollte sich unbedingt mal schminken, und einer muss es ihr ja zeigen.«
»Ja, von Schminken haben Sie offensichtlich mehr als genug Ahnung«, schimpft Anne und beginnt, die Windpocken aus Leonies Gesicht zu wischen. Ihre Tochter wehrt sich mit Händen und Füßen.
»Meine Windplocken!«, ruft sie und haut Anne ins Gesicht.
Die setzt ihre Tochter auf den Hosenboden. »Du schlägst mich nicht noch einmal, Fräulein!«, fährt sie Leonie an, die sich daraufhin auf den Boden wirft und sich hin- und herrollt wie das wilde Mannle persönlich. Dabei tritt sie gegen das Schienbein von Adoré, die gerade den Pressetisch mit neuen Hochglanzmagazinen bestücken wollte. Sie macht kurz ein schmerzverzerrtes Gesicht, hat sich aber gleich wieder im Griff und lächelt Leonie so wunderschön an, dass die sogar kurz aufhört zu schreien. Unsere Blicke treffen sich, es kribbelt in meinem Bauch, als läge gestern Nacht erst ein paar Minuten zurück und meine Pubertät nicht viel länger. Wie zufällig berühren sich unsere Handrücken. Ich bekomme eine Gänsehaut.
»Tut mir leid«, entschuldigt sich Anne überfordert und versucht, Leonie hochzuheben, woraufhin die gleich wieder losschreit.
Da nimmt Adoré das oberste Hochglanzmagazin vom Stapel, die »Ladylike« mit Sarah Jessica Parker auf dem Cover, und reicht das Heft Leonie. Augenblicklich beruhigt sich das Kind.
»Hier, meine Kleine«, säuselt sie hypnotisch, »die ›Ladylike‹ mögen alle Frauen. Da stehen tolle Schminktipps drin.«
Natürlich könnte ich Adoré jetzt erklären, dass das totaler Quatsch sei, weil Leonie noch gar nicht lesen kann und viel zu jung ist, um sich zu schminken –
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