Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Stanley Fröhlich für den Familiencontest gepaukt habe. Da stand sie plötzlich vor der Tür. Wie eine gute Fee.«
»Wieso?«
Darüber habe ich gar nicht mehr nachgedacht. Hilflos ahme ich die Joggingbewegungen nach, die mir Adoré an jenem Abend vorgeführt hat. Aber eigentlich kann das nur einer erklären.
»Das musst du Mr. Perfect fragen.«
Anne nickt und isst grübelnd weiter. »Du bist echt verliebt in die, oder?«
Ich nicke ertappt.
»Wichtig ist, dass sie unsere Tarnung nicht gefährdet. Hast du ihr von unserer Mission erzählt?«
Ich schüttele den Kopf.
»Hast du ihr von Leonie und mir erzählt?«
Kopfschütteln.
»Dann solltest du das machen. Oder ich mache es.«
Ich verspreche, Adoré bei nächster Gelegenheit meine falsche Familie vorzustellen. Anne hat ja recht. Es ist gut, die Dinge zwischen uns zu klären. Offenbar waren wir beide etwas überreizt. Ich entschuldige mich für mein gestriges Verschwinden, und Anne entschuldigt sich für ihren Ausraster. Sie erklärt mir, dass Dr. Schade sie schon vor unserer Abreise enorm unter Druck gesetzt habe: »Wenn Sie diesen Macho nicht zähmen, können Sie sich von Ihrer Halbtagsstelle verabschieden«, hat er Anne gedroht. Offenbar soll sie mich so sehr nerven, dass ich meinen ganzen Frust in den Artikel stecke. Ob Manager so etwas in Mitarbeiter-Demotivations-Seminaren lernen?
Und als ich nachts verschwunden war, sah Anne ihr schönes neues Teilzeitmodell in sich zusammenbrechen. Ich senke verständnisvoll die Augen. Wir beschließen, das Kriegsbeil für die Zeit unseres Aufenthalts zu begraben und von nun an absolut offen miteinander umzugehen.
»Was findest du eigentlich an Mr. Perfect?«, frage ich deshalb geradeheraus. »Ist es sein Körper?«
Anne verschluckt sich an ihrem Fruchtjoghurt und muss fürchterlich husten. Ich klopfe ihr ein paarmal freundschaftlich auf den Rücken, wie man das bei Kumpels macht.
»Warum willst du das wissen?«
Klar, eigentlich geht es mich nichts an, mit wem sich Anne privat herumtreibt, aber erstens sind wir hier ja beruflich, und zweitens ist der Typ ein solcher Arsch, wie ich es nur selten erlebt habe.
»Na ja, er verhält sich manchmal ein bisschen grobschlächtig.«
»So ein Blödsinn. Gut, er kann schon ein bisschen, nun ja, direkt sein, aber er ist Leonie ein guter Vater und unterstützt mich, wo er kann.«
»Reicht das, um ihn zu heiraten?«
»Bist du eifersüchtig?«
»Nein. Ich finde nur, Leonie hat so einen Kerl nicht verdient – und du auch nicht.«
Anne schaut überrascht, dann wird sie zornig.
»Das musst du gerade sagen, der Abschlepper und Lügner vor dem Herrn! Das ist jetzt wieder so ein Alphamännchending, oder?«
Ganz abstreiten kann ich das leider nicht. Keine Ahnung, warum, aber wenn andere Männer schöner, stärker oder eloquenter sind als ich, lege ich mich gern mit ihnen an – vor allem wenn sie sich auch noch als Lügner und Arschlöcher entpuppen.
»Er versteht mich, er versteht die Frauen, er versteht Familien«, behauptet Anne. »Und er will etwas an unserer gesellschaftlichen Situation ändern: ein emanzipierter Mann. In seinen Studios ermöglicht er alleinerziehenden Müttern, für kleines Geld zu trainieren. Du weißt doch, wie wichtig den meisten Frauen ihre Figur ist. Er hat sein Angebot voll an die Bedürfnisse moderner und gleichberechtigter Menschen angepasst.« Sie trinkt einen Schluck Cappuccino. Es wundert mich überhaupt nicht, dass Leonhardt in seinen Studios alleinerziehende Frauen um sich schart. So ein Schlitzohr.
»Vor allem ist Leonhardt ehrlich«, behauptet Anne. »Und das kann man heute von den wenigsten Männern behaupten.«
»Und was war der Grund, dass Adoré vor seiner Tür stand?«
»Dafür gibt es bestimmt eine logische Erklärung.«
Ich nicke betreten und denke daran, dass Annes Halbtagsstelle in ein paar Monaten weggekürzt wird. Ehrlicherweise sollte ich ihr das sagen. Aber dann reist sie bestimmt sofort ab, und ich kann meine Kolumne vergessen.
Heute steht eine Kutschfahrt auf dem Programm. Wir beschließen, spontan mitzufahren, weil Leonie neben allen anderen Tieren auch Pferde liebt. Mr. Perfect nehmen wir ebenfalls mit, damit er sich um Leonie kümmern kann und wir uns um die Arbeit. Aber vorher müssen wir Leonie noch abschminken.
Gegen Mittag versammeln sich die Familien vor dem Hotel. Adoré hat die Kooperation mit einer lokalen Brauerei organisiert, die ihre riesigen alten Bierfässerkutschen für Familienfahrten zur
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