Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
Vom Netzwerk:
bei meinem Karatekurs.
    Damit die Teilnehmer auch wissen, worauf sie sich einlassen, habe ich in der Frühstückspostille ein Bekenntnis zur Männlichkeit verfasst, gespickt mit Zitaten aus meinem Artikel. Es prangert die Verweichlichung des neuen Mannes an und fordert die ganzen Kerle heraus – in diesen Trainingsraum. Selbst Anne und Leonie habe ich gebeten, nicht zu stören. Schließlich möchte ich nicht, dass Leonie Angst kriegt, falls mir beim Bruchtest ein Kampfschrei herausrutscht.
    Mit dem Päckchen meiner Mutter verschwinde ich um halb drei im Materiallager hinter dem Yogaraum und ziehe mich im Halbdunkel zwischen Gesundheitsbällen, Schaumstoffklötzen, Gurten und Decken um. Das Gefühl der schweren Baumwolle des Gi auf meiner Haut erinnert mich an die Kämpfe, die ich in diesem Anzug ausgefochten habe – vor allem mit mir selbst.
    Noch ist allerdings keiner da. Um Viertel vor drei öffnet sich die holzverkleidete Tür einen Spalt. Endlich! Der Architekt steckt seinen Kopf herein, gehüllt in einen schwarzen Trainingsanzug mit hochgeklapptem Kragen. Er sieht mich musternd an. Ich winke ihm zu – nur keine Scheu.
    Anstatt hereinzukommen, schaut mich der Architekt skeptisch an, schüttelt den Kopf und verschwindet wieder. Von nun an öffnet sich die Tür erst im Zweiminuten-, dann im Minutentakt, und schließlich stecken alle dreißig Sekunden potenzielle Teilnehmer den Kopf herein. Um kurz nach drei höre ich aufgeregtes Kichern vor der Tür. Ich öffne.
    Dort stehen etwa zwanzig Männer, Frauen und Kinder, die bei meinem Anblick erschrocken »Huch!« rufen, um dann in schallendes Gelächter auszubrechen. Unter ihnen erkenne ich Stanley, den Architekten und sogar meinen Chefredakteur. Sie alle tragen Trainingskleidung, aber keiner von ihnen scheint den letzten Schritt in den Raum wagen zu wollen. Meine meditative Grundstimmung ist mit einem Mal dahin wie ein Ziegelstein nach der Begegnung mit Bruce Lee. Die Leute fangen an, sich im Scherz zu hauen. Dabei rufen sie mit tuckig verstellten Stimmen: »Aua!« oder: »Hallöchen, Popöchen!« Frauen hauen ihren Männern affektiert mit der Handkante auf den Hintern, und selbst die Kleinen, die noch weit entfernt sind von Aufklärungslektüre und noch weiter weg vom Christopher Street Day, geben sich tuntig. Nichts gegen Schwulenwitze, aber der ganze Zauber nur wegen eines Gerüchts in der Therme?
    »Was soll denn das?«, schimpfe ich, werde aber einfach weiterhin ausgelacht.
    Mein Chef kommt auf mich zu. Endlich ein seriöses Gesicht. Mit ausgestreckten Armen und der natürlichen Autorität einer Respektsperson gebietet er Ruhe. In seinem Gesicht allerdings zucken die Mundwinkel. Als endlich Stille eingekehrt ist, fragt er mich mit hoher Stimme und gespieltem Lispeln: »Kann ich pei Ihnen lernen, wie man Purchen zu Poden chleudert?«
    Eine Lachsalve überrollt mich, die Leute keuchen, japsen nach Luft. Sogar der Architekt wälzt sich in einer Art epileptischem Lachanfall am Boden.
    Am Ende des Flurs sehe ich Anne und Mr. Perfect mit Leonie in ihrer Mitte in Richtung Spa-Bereich flanieren. Hätte mir ja denken können, dass er nicht in einen Kurs kommt, den ich leite.
    Als sie das Lachen hören, drehen sie sich zu mir um, stutzen und kommen näher. Mr. Perfect schaut mich an wie einen Außerirdischen und bricht ebenfalls in brüllendes Gelächter aus. Leonie stimmt ein, selbst Anne kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie kommt auf mich zu, stellt sich neben mich und rückt uns direkt unter einen Scheinwerfer. Dann legt sie mir einen Arm um die Schultern. Ihr Bademantel strahlt deutlich weißer als mein Karateanzug. Wenn ich meinen Baumwollstoff so direkt neben ihrem Frottee sehe, schimmert mein Anzug eindeutig rosa. Offenbar hat meine Mutter ihn verwaschen, sich aber gedacht, dass der leichte Rosétouch entweder modern rüberkommt oder gar nicht auffällt.
    Anne pfeift auf zwei Fingern so laut, dass es das Gegacker im Flur übertönt. »Alle mal herhören«, kommandiert sie mit lauter Stimme. Das Lachen verstummt. »Caspar hat versehentlich Leonies rote Socken mit in die weiße Wäsche getan und seinen Karateanzug verwaschen.« Erstaunte Gesichter. Anne räuspert sich. »Ich finde es schade, dass ihr einen emanzipierten Mann auslacht, der seiner Frau die Hausarbeit abnehmen möchte.« Die Gesichter der anderen Frauen auf dem Flur werden sofort ernst. Ein paar stupsen ihre feixenden Männer vorwurfsvoll an.
    »Was glaubt ihr, wie das für mich ist, wenn

Weitere Kostenlose Bücher