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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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ersten Blick ins Dunkel hat er anscheinend schon vergessen, dass er sich den Fuß gebrochen hat, denn er stürmt hüpfend voran, knickt natürlich gleich wieder um und wälzt sich wimmernd am Boden. Trotzdem liegt ein seltsames Lächeln auf seinen Lippen.
    »Sieht aus wie ein steinzeitliches Jägerlager«, meint Stanley.
    Mich erinnert es eher an die Höhlen im Horrorfilm, in die stets perfekt geschminkte Collegeschönheiten mit ihren stets glatt rasierten Modelfreunden von hässlichen Hinterwäldlern gelockt werden – meist entpuppt sich die Höhle als Speisekammer.
    Drinnen ist es nicht gerade warm, aber immerhin tobt hier kein Schneesturm, im Gegensatz zu da draußen. Wahrscheinlich enden wir alle als Gletschermumien, bis uns in fünftausend Jahren Forscher finden und über die Bedeutung von Stanleys Tattoos rätseln.
    »Da habt ihr euer Paleo«, stänkert Mr. Perfect, während wir Zweige und Blätter zusammensuchen. Offenbar hat hier schon mal jemand übernachtet, denn am Boden liegen angekokelte Holzscheite.
    »Wieso denn unser Paleo?«, brause ich auf. Instinktiv warten wir beide darauf, dass sich Stanley mit beschwichtigenden Worten einmischt, aber er bleibt ruhig. Zu ruhig. Der Dritte im Bunde ist weg, offenbar tiefer in die Höhle gekrabbelt. Mr. Perfect zaubert eine winzige Taschenlampe aus seinem Fell hervor. Wahrscheinlich hätte Adoré bei einer Leibesvisitation auch noch einen elektrischen Rasierer und Bräunungscreme gefunden. Er knipst die Lampe an und geht voran. Ich habe nichts dagegen. Den Ersten beißen die Bären.
    Nach ein paar Schritten haben wir Stanley gefunden. Er sitzt an einem Feuer – oder besser gesagt, an den Resten eines erloschenen Feuers. Von irgendwo dort oben fällt gedämpftes Licht in die Höhle, wahrscheinlich ein improvisierter Rauchabzug. Offenbar sind wir wirklich nicht die Ersten, die hier Schutz suchen. Jemand hat dickere und dünnere Äste zu einem kleinen Haufen gestapelt – vielleicht illegale italienische Einwanderer in der Zeit vor der Europäischen Union?
    »Die Holzscheite liegen hier bestimmt seit Hunderten von Jahren«, murmelt Stanley, während er Feuersteine aufeinanderhaut, dass die Funken fliegen. Er deutet mit dem Kopf zu seiner Kokosnussschale: »Feuerstein, Pyrit und einen Zunderschwamm – das hatten die Wanderer der Steinzeit immer dabei.« Mr. Perfect und ich schauen ihm kurz zu, wie er vergebens versucht, die Funken mit diesem Schwamm aufzufangen. Dann zücke ich mein Feuerzeug, das ich aus alter Gewohnheit vor dem Weggehen eingesteckt habe. Einen Moment lang sieht mich Stanley so echauffiert an, als hätte ich behauptet, es habe nie einen Ötzi gegeben. Dann nimmt er mir das Feuerzeug aus der Hand.
    Wenig später hat er aufgehört zu bibbern. Der Rauch zieht nach oben ab, ist eine echte Profihöhle, ein Hoch auf Tirol.
    Keine Ahnung, wie lange wir hier drin hocken werden, das Holz reicht auf jeden Fall für die nächsten Stunden. Unser Wasser ist alle, aber wir können Schnee schmelzen. Außerdem trinken wir eh aus dem Flachmann. Viel schlimmer sind die Kälte und die Tatsache, dass wir nichts mehr zu essen haben. Theoretisch könnten Mr. Perfect und ich hier übernachten – wenn wir vertraglich vereinbaren, uns nicht im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Das Problem ist Stanley.
    »Er hat Fieber«, stellt Mr. Perfect fest. In der Tat liegt unser Verletzter merkwürdig entrückt da, starrt an die Wände und stammelt etwas von Höhlenmalereien. Seine Hände fahren suchend an den kalten Wänden entlang. Einmal hält er triumphierend ein Stück Horn in die Höhe und behauptet, er hätte Steinzeitspielzeug gefunden.
    »Ein kleiner Hund«, flüstert er. Seine Augenlider fallen langsam zu.
    »Irgendwann werden sie uns holen«, behaupte ich. »Wenn wir nicht in der Similaunhütte ankommen, schicken die Suchtrupps los. Bis dahin müssen wir warten.«
    Ein paar Minuten, die mir vorkommen wie Stunden, sitzen wir schweigend am Feuer, nur unterbrochen durch gelegentliches Schniefen oder Niesen. Wer hätte gedacht, dass dieser Familienurlaub so enden würde?
    »Falls wir hier drin erfrieren und es nur einer von uns nach draußen schafft, sollten wir uns noch unsere Geheimnisse anvertrauen«, schlage ich vor. »Erstens machen Männer das immer so, und zweitens halten wir Stanley noch eine Weile davon ab einzuschlafen.«
    »Unter einer Bedingung!« Mr. Perfect streckt die Hand aus. »Wenn wir es hier lebend rausschaffen, darf keiner sie verraten. Wir

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