Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
ausstechen wollte. Ich grätsche ihm rein, mache ihn fertig, schreibe den besseren Artikel und hole mir auf ganz legalem Weg seinen Job – so, wie es ein Mann machen würde.«
»Schade wird da nicht mitspielen«, bemerke ich.
Aber Anne würdigt mich keines Blickes. Stattdessen wendet sie sich an Jeannie. »Oh doch, das wird er. Weil ich Betriebsrätin bin, studierte Journalistin und kein Nightlife-Jungredakteur.« Bei den letzten Worten verzieht sie ihr Gesicht, als würde sie den Internetverlauf des einzigen Computers einer Bohrinsel lesen. Dann wendet sie sich wieder an ihren Verlobten.
»Mit dem ganzen Theater ist jetzt Schluss. Zimmertausch! Caspar zieht in die Onkel-Suite, und ich bleibe die letzten Tage bei meiner echten Familie.«
Jeannie lächelt. Anne grinst sie offensiv an.
»Ja, Sie haben richtig gehört: Dieser große, starke, gut aussehende Typ und ich, wir heiraten in zwei Wochen!«
»Na, da gratuliere ich aber«, entgegnet Jeannie.
»Deshalb werde ich mir auch mit ihm den Platinbubsi holen und nicht mit Herrn Hartmann.« Sie überlegt kurz. »Wenn Sie den sehen – richten Sie ihm bitte aus, dass er sofort seine Sachen aus dem Zimmer holen soll. Wir beide sind nämlich ab sofort Konkurrenten. Er weiß dann schon, worum es geht. Danke.«
Nach dieser Ansage verschwindet sie mit ihrer Familie in Richtung Fahrstühle – wahrscheinlich um Herrn Schade zu suchen. Wenn ich er wäre, würde ich Anne nicht widersprechen.
Anne will den Kampf, sie soll ihn bekommen. Möge der Bessere gewinnen – und nicht die Bessere.
Jeannie lächelt weiterhin wie ein Roboter. Ich stütze mich auf den Empfangstresen, als wäre er Teil einer Bar.
»Was kostet es mich, wenn Sie die ganzen Verwandtschaftsprobleme ausblenden und uns einfach die Zimmer wechseln lassen?«
Jeannie zückt einen kleinen Taschenrechner und tippt munter drauflos. »Das wären dann insgesamt fünfhundert Euro, ohne Steuern, nur Barzahlung.«
Ich nicke und lasse mir den Weg zum nächsten Geldautomaten beschreiben.
»Heute um acht findet übrigens die Siegerehrung vom ›Paleo-Cup‹ statt«, ruft mir Jeannie hinterher. »Sie sollten unbedingt hingehen.«
Der Psychologe sitzt wieder einmal mit seiner Zeitschrift in der Lobby und beobachtet die Gäste. Ich grüße ihn mit Kopfnicken. Er klappt die Zeitschrift zu und will mich zu sich winken, aber ich nicke nur und gehe schnell weiter. Noch jemanden, der in meinem Kopf herumpfuscht, kann ich jetzt beim besten Willen nicht gebrauchen.
Bis zur Siegerehrung räume ich meine Sachen aus dem Zimmer in Mr. Perfects riesige Suite. Eigentlich ist doch alles perfect: Hier stinkt es nicht nach Windeln, nirgendwo liegt Spielzeug herum, keine Kindersicherungen in den Steckdosen, die Lautstärke der Stereoanlage ist nicht reguliert, und vor allem bin ich ganz allein. Zu guter Letzt erinnert mich alles an meine heiße Nacht mit Adoré. Aber genau das fühlt sich seltsam belanglos an.
Ich lege mich auf das zwei mal zwei Meter große Bett und zappe mich durch die neuesten Actionfilme – sie erscheinen mir seelenlos. Vielleicht sollte ich mal auf den Kinderkanal schalten?
Noch einmal lese ich meinen Artikel. Viel zu korrigieren gibt es nicht, er ist genau so, wie ihn Herr Schade bestellt hat. Am besten, ich gebe ihm den Text gleich heute Abend auf der Paleo-Verleihung. So steche ich Anne noch aus. Klar, vielleicht hat sie schon mit Schade geredet, über weibliche Leser, ihre Qualifikationen und all das, aber wenn ich dem Chef einfach genau den Text in die Hand drücke, den er bestellt hat, kann Anne einpacken. Blöderweise macht mich dieser Gedanke nicht so glücklich, wie er sollte.
Um mich abzulenken, vertiefe ich mich in Stanleys Dossier. Eigentlich gar nicht so uninteressant, was er da zusammengestellt hat: die wichtigsten Fragen und Antworten zur Erziehung, von A wie Aufstehen bis Z wie Zuhören. Könnte man glatt ein Buch draus machen.
Für die Siegerehrung des »Ötzi-Paleo-Cups« hat Adoré den Speisesaal in eine Art multihistorischen Bankettsaal verwandeln lassen. Zum Glück dürfen die Gäste auch in Anzug oder Kleid kommen – allein der Gedanke daran, noch einmal ein Fell überzuziehen, lässt mich frösteln.
Zur Pressekonferenz sind jede Menge Journalisten angereist. Anstatt sich unter die Gäste und Paleos zu mischen, sitzen sie mit redaktioneller Distanz hinten rechts oder links – je nach Ausrichtung ihres Mediums. Aber diesmal haben offenbar nicht nur die Lokalblattschreiber ihre
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