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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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dem Amt, sondern auch noch mein Laudator. Ausführlich erzählt er von meinem Ohnmachtsanfall letzte Woche. Einige meiner Kollegen grinsen und machen sich Notizen. Wie schön, morgen weiß ganz München, dass ich in der Sauna umgekippt bin.
    Dann ruft er mich auf die Bühne. Dort nimmt er seinen bescheuerten Anstecker vom Revers, klappt die Nadel aus und versucht, sie mir ans Hemd zu stecken. Dabei piekst er mir in die Brust.
    »Halt still«, zischt er mir zu. »So ist es für alle am besten.«
    »Wo sind Anne und Leonie?«, frage ich.
    »Anne arbeitet, Leonie ist bei dem verrückten Ungar in der Kinderbetreuung.«
    Jetzt bin ich es, der stichelt. »Machst du dir da keine Sorgen?«
    Mr. Perfect klappt die Nadel zu und schüttelt mir die Hand.
    »Du bist jetzt der neue Gast der Woche.«
    Ich fühle mich eher wie der Arsch der Woche.
    Herr Schade deutet mit der rechten Hand auf meinen freien Platz neben ihm. Gerade will ich losgehen, da hält mich Adoré am Arm zurück. In ihrer Hand baumelt eine Medaille.
    »Und weil er den Geist des Paleo im wahrsten Sinne des Wortes in die Neuzeit getragen hat, ernenne ich Caspar Hartmann zum Sonderbotschafter des ersten ›Ötzi-Paleo-Cups‹.«
    Ich sehe in ihre schönen grünen Augen. Sie lächelt. Genau so hatte ich mir die Preisverleihung doch gewünscht! Adoré hängt mir langsam und stolz die Medaille um, sie freut sich noch viel mehr als ich über die Auszeichnung und klatscht mädchenhaft in die Hände. Klar, sie hat sich all das ausgedacht, ist ja ihr Job. Wie eine Ehefrau die Krawatte ihres Mannes, so zupft Adoré jetzt das Band der Medaille an meinem Hals zurecht. Sie sieht mich mit diesem Blick an, den ich immer so sehr an ihr gemocht habe. Aber in meinem Bauch fliegen keine Schmetterlinge umher, nicht mal Fruchtfliegen. Nichts. Als hätte die Nato dort ein Embargo verhängt.
    Ich sehe Adoré distanziert an. Die scheint erstaunt, dass ich diesmal nicht wie Wachs dahinschmelze. Sie nimmt mein Gesicht in beide Hände, sieht mich noch einmal so an, wie sie es in Mr. Perfects Suite getan hat, und küsst mich auf den Mund.
    Die Gäste klatschen. Adoré schmeckt nach Rauch. Auch der Kuss fühlt sich kalt an. Will gar nicht weiterküssen. Erstaunt löse ich meine Lippen von ihren. Ich will Adoré nicht, ich will auch diese Nachtlebenstelle nicht. Ich will Anne.
    »Soll das ein Witz sein?«, höre ich die laute Stimme des glatzköpfigen Kollegen von der Reporterseite. Adoré weicht von mir zurück und stellt sich neben Frau Sommer. »Sie zeichnen hier Kostümierte aus, knutschen mit einem Kollegen von zweifelhaftem Ruf und denken, wir schreiben darüber auch noch?«
    Mein Gott, immer diese auf Krawall gebürsteten Journalisten. Ich habe gerade echt andere Probleme.
    Adoré schaut verwirrt, Frau Sommer ebenfalls. Wie auf ein geheimes Zeichen schubsen sich die Fotografen direkt vor mir in der ersten Reihe um den besten Platz. Der Glatzkopf schaut auf seinen Zettel.
    »Vierzehn Männer und Frauen wurden gestern mit zum Teil erheblichen Erfrierungen nach diesem Paleo-Contest ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Wunder, dass keine Menschen gestorben sind.« Er sieht mich direkt an.
    »Was sagen Sie denn dazu, Herr Sonderbotschafter?«
    Die Kameras blitzen los, als wären sie die Pfeile einer mittelalterlichen Exekution. Ich stehe zwischen Frau Sommer und Adoré, Mr. Perfect hat sich bereits von der Bühne geschlichen. Ich will es ihm gleichtun, aber Frau Sommer hält mich fest: »Sie bleiben schön hier.«
    So werde ich aus nächster Nähe Zeuge eines Pressetribunals. Adoré und Frau Sommer werden von den Fragen der Kollegen zerpflückt.
    »Hilf mir doch«, flüstert mir Adoré zu. Aber was soll ich sagen? Die Kollegen haben ja recht. Ich stehe einfach nur wie auf Stand-by im Blitzlichtgewitter. Vielleicht ist das hier ja meine Strafe dafür, dass ich Anne hintergangen habe.
    Adoré und Frau Sommer argumentieren sich immer abstruser um Kopf und Kragen, ziehen Verknüpfungen zwischen Familienhotel und Paleo, verweisen auf die Häufigkeit von Schneestürmen in den Bergen, schieben mich als Helden vor, aber das alles hilft nichts. An den Gesichtern der Kollegen sehe ich, dass sie morgen die Verrisse ihres Lebens schreiben werden. Übermorgen kann das »Wilde Mannle« dichtmachen.
    Herr Schade ist längst aufgestanden und hat sich diskutierend unter die Kollegen gemischt. Er schüttelt den Kopf, schwimmt diensteifrig wie ein kleiner Fisch im Presseschwarm. Als die Journalistenmeute den

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