Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Ahnung, wie lange ich auf dem Flur stehe. Irgendwann kommt Stanley Fröhlich auf Krücken angehumpelt und nimmt mich mit in den Speisesaal. Dabei habe ich keinen Hunger. Ich habe gar nichts mehr.
Zum Frühstücken setzen wir uns auf die Sonnenterrasse, da kann ich wenigstens rauchen.
Stanley Fröhlich erklärt mir, dass er sich auf eigenen Wunsch entlassen hat. Der Knöchel sei glatt gebrochen und wurde eingegipst: »Heutzutage wird eh nicht mehr operiert.« Der Arzt hat ihm Ruhe verordnet, Stanley soll sein Bein hochlegen, am besten im Bett. Deshalb will er abreisen.
»Können wir die Herausforderung vielleicht um ein Jahr verschieben?«, fragt er. Nichts lieber als das – wenn ich bis dahin eine neue Familie gefunden habe. Dieser Contest liegt gefühlt gerade weiter entfernt als die Teilnahme an einer Castingshow mit Dieter Bohlen.
Stanley hat mir ein Dossier aus seinen Erfahrungen vom vergangenen Familiencontest zusammengestellt: alle Fragen, alle Kniffe, dazu ein paar Erziehungs- und Beziehungstipps. Er zwinkert wie Peter Lustig. »Du hast noch zwei Tage Zeit – wenn du alles machst, was hier drinsteht, dann kriegst du den Platinbubsi hinterhergeschmissen.«
Ich starre die Mappe an und erzähle Stanley von meinem Streit mit Anne.
»Liebst du sie?«, fragt er.
Ich schüttele den Kopf. »Sie ist gar nicht mein Typ. Wir verstehen uns nur gut im Bett.«
Stanley sieht mich an, als hätte ich gerade behauptet, dass die Sonne jeden Abend ins Meer fällt. »Ihr harmoniert doch gut.«
»Du spinnst wohl! Sie hat mich rausgeschmissen.«
»Kann dir doch egal sein. Du machst das hier ja nur, weil du einen Verriss darüber schreiben musst, um noch mehr Frauen ins Bett zu kriegen.«
»Um Nachtlebenkolumnist zu werden«, stelle ich richtig.
Er lächelt wie ein sehr dünner Buddha. »Du hast zwei Möglichkeiten: Du entscheidest dich entweder für die Familie oder gegen sie. Muss eh jeder irgendwann mal machen. Ist ganz einfach.«
»Aber Anne hört mir nicht mehr zu. Das kann ich ihr nicht einmal übel nehmen.«
»Dann schreib ihr halt. Du hast mir doch erzählt, dass du eigentlich Journalist bist.«
In diesem Moment kommt Frau Fröhlich mit den Kindern auf die Terrasse. Sie hat die Sachen ins Auto geladen. Stanley und ich verabschieden uns mit Handschlag. Er drückt mir seine Mappe in die Hand und besteht darauf, dass ich sie annehme. Eines will ich aber noch wissen.
»Stanley, hast du mir den kleinen Steinzeithund für Leonie ins Fell gesteckt? Wenn er wirklich so alt ist, gehört er in ein Museum.«
Stanley zieht mich zu sich heran und flüstert mir ins Ohr: »Spielzeug gehört in Kinderhände, nicht ins Museum.«
Wir umarmen uns, wie echte Freunde es tun – ohne Abstand zwischen den Herzen. Ich sehe ihm hinterher, wie er, gestützt von seiner Frau, zum blauen Touran humpelt. Die Kinder winken vom Rücksitz. Am Heck des Wagens lese ich »Immer Fröhlich bleiben« und werde noch trauriger.
An der Rezeption stehen Anne, Mr. Perfect und Leonie.
»Möchten Sie auch auschecken?«, fragt mich Jeannie.
»Nein, warum?«
»Weil Ihre Familie gerade auscheckt. Aber Sie können natürlich gern noch bleiben – wäre nicht das erste Mal, dass Familien gemeinsam an- und getrennt abreisen.«
Ich sehe die drei fragend an. Mr. Perfect trägt Leonie auf dem Arm, Anne füllt hoch konzentriert eine Hotelgastumfrage aus. In die Rubrik »persönliche Stimmung beim Verlassen des Hotels« schreibt sie: »Fuck off and die!«
Ich stelle mich neben sie.
»Anne, egal, was war – wir haben Herrn Schade unser Wort gegeben, dass wir diese Sache durchziehen. Wenn du jetzt abreist, war alles umsonst.«
Anne malt noch ein paar Totenköpfe in das Formular.
Mr. Perfect legt den freien Arm um seine Frau. »Vielleicht hat er recht. Wenn du vorzeitig abreist, gibst du deinem Chef doch nur einen Grund, dich rauszuschmeißen. Dann war der ganze Zirkus hier umsonst. Denk an deine Halbtagsstelle.«
Nanu? Ist der jetzt plötzlich auf meiner Seite? Ich dachte eher, er hätte Anne zu guter Letzt noch von meinem Geheimauftrag erzählt. Wahrscheinlich ist das einfach die Arroganz des Siegers. Anne schüttelt seinen Arm ab.
»Ich glaube, du hast dir in den Bergen irgendwie das Hirn verkühlt. Schade wollte mir nie die Halbtagsstelle geben, und das wird er auch nicht, egal, was ich mache. Es sei denn …« Sie legt den Kopf schräg und kreuzt die Arme vor der Brust. ». . . ich steche Caspar Hartmann aus. Genau so, wie er mich
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